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Die Toechter der Familie Faraday

Die Toechter der Familie Faraday

Titel: Die Toechter der Familie Faraday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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deutlich an jene Zeit. So unbeholfen, so ungeschickt war sie damals, so verzweifelt bemüht, so hübsch und geistreich und klug wie ihre Schwestern zu sein. Sie hatte ihren Geburtstag feiern wollen, und Tessa und Leo hatten ihr erlaubt, drei Freundinnen einzuladen. Die Liste zu schreiben hatte ewig gedauert, denn sie hatte sich nicht zwischen den Mädchen in ihrer Klasse entscheiden können. Sie hatte die Einladungskarten selbst gemalt, ungeachtet Mirandas gemeiner Bemerkung, dass ihre Katzen wie missratene Mäuse aussähen. Sie war am nächsten Tag mit den Einladungen zur Schule und in der Pause stolz zu den drei Mädchen gegangen, sie hatte ihnen die Karten gegeben und gewartet, gegrinst, sich ihre Reaktion ausgemalt: »Eine Party? Super. Danke, Sadie.« Eines nach dem anderen hatten sie die Umschläge geöffnet. Kym, das größte Mädchen, hatte wenigstens den Anstand gehabt, beschämt auszusehen. »An dem Tag können wir nicht Sadie, tut mir leid.«
    »Warum?«
    Sie hatten mit den Füßen gescharrt, einander angeschaut, an Sadie vorbei, bis endlich ein Mädchen sagte: »Weil wir schon auf eine andere Feier gehen.«
    Kyms Geburtstagsfeier am gleichen Tag. Alle waren eingeladen, mit Ausnahme von Sadie und drei anderen Mädchen, die selbst sie für das Letzte hielt.
    Sie war nach der Schule zu ihrer Mutter nach Hause gerannt. Ihr Onkel Bill war zu Besuch gewesen und hatte rauchend auf der Veranda gesessen. Sie war an ihm vorbeigestürmt, weinend ins Haus gestürzt, hatte von ihrer Mutter umarmt und getröstet werden wollen. Ihre Mutter hatte im Bett gelegen. Sie wussten, dass sie bei ihrem Mittagsschlaf nicht gestört werden durfte, aber das war eine Ausnahme. Sadie brauchte sie. Sie war ins Zimmer gestolpert, weinend, hatte angefangen, alles zu erzählen. Dann der Schock, als sich ihre Mutter aufgesetzt und gesagt hatte, sie solle den Mund halten und sie in Ruhe lassen.
    Als Sadie die Tagebücher gelesen und erfahren hatte, wie ihre Mutter diesen Tag schilderte, war es, als würde ihr ein Dolch ins Herz gestoßen. Tessa musste das Tagebuch gleich in die Hand genommen haben, nachdem Sadie das Zimmer verlassen hatte.
    Sadie hatte mitten in der Nacht im Schuppen gesessen, die Tränen waren ihr übers Gesicht gelaufen. In jener Nacht hatte sie beschlossen, ihre Familie zu verlassen. Wenn Leo ein Leben aus Lügen leben und Tessa als perfekte Ehefrau und perfekte Mutter darstellen wollte, war das seine Entscheidung, aber Sadie konnte daran nicht länger teilhaben. Sie musste gehen, so viel Abstand wie möglich zwischen sich und ihre Familie bringen.
    Sie hatte vorgehabt, die beiden Wochen in Melbourne zum Nachdenken zu nutzen. Sie hatte vorgehabt, auf Miranda zu warten, damit Miranda Maggie zurück nach Hobart bringen konnte. Sie selbst hatte weiterziehen wollen nach Perth oder vielleicht Darwin. Nur weit weg.
    Die Umstände hatten dann dazu geführt, dass sie Maggie mitgenommen hatte. Weil sie ihr von dem Abenteuer erzählt und gemerkt hatte, wie aufgeregt sie war. Weil sie so viel Spaß zusammen hatten. Weil Maggie ihr an jenem Abend in ihrer einmaligen Art gesagt hatte: »Ich muss dir ein Geheimnis verraten. Du bist meine Lieblingstante.« Sadie war das Herz aufgegangen. In dem Moment hatte sie gewusst, dass sie sich nicht von Maggie verabschieden konnte. Noch nicht.
    Sie erinnerte sich an jede Einzelheit des Abends, als Leo und Clementine aufgetaucht waren. Es war ein Schock – Clementine hatte sie geschlagen, Leo ihr Maggie entrissen, als hätte sie in Gefahr geschwebt, dann war er zu ihr zurückgekommen und hatte immer wieder gefragt: »Warum, Sadie? Warum hast du das getan? Ist dir irgendetwas widerfahren? Wir lieben dich. Wir sind eine Familie. Sag es mir doch.«
    Er hätte seine Worte nicht schlechter wählen können. Sie hatte es nicht sagen wollen, aber es war aus ihr herausgebrochen. »Lüg mich nicht an, Dad. Ich habe ihre Tagebücher gelesen. Ich kenne die Wahrheit.«
    Niemals würde sie den Ausdruck auf seinem Gesicht vergessen. Eine Maske war abgefallen und eine andere dahinter zum Vorschein gekommen. Er hatte genau gewusst, wovon sie sprach. In dem Moment war jede Hoffnung, dass Leo sagen könnte: »Aber nein, du irrst dich«, gestorben. Sie hatte sich weggedreht, sie hatte nicht länger zuhören können.
    Sie war um ihr Leben gerannt. Sie hatte den Campingplatz noch vor sieben Uhr morgens verlassen, zum Erstaunen des Besitzers, der kaum wach war, die Rechnung bezahlt und ihm eine Tüte mit Maggies

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