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Die Toechter der Familie Faraday

Die Toechter der Familie Faraday

Titel: Die Toechter der Familie Faraday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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als zwei Jahren mit Rührung gesehen. In der Erdgeschosswohnung eines Art-déco-Hauses in Elwood, einem Vorort in Meernähe, herrschte strenge Ordnung. Elizas Einrichtungsstil war puristisch – nackte Holzböden, weiße Wände, wenige, mit Bedacht platzierte Gemälde. Der Kleidungsstil ihrer Tante folgte einer ähnlichen Linie – schnörkellose Silhouetten, grundsätzlich Stoffe aus Leinen, Baumwolle oder Wolle, niemals aus Chemiefaser, und alles überwiegend in Schwarz. Ihr Make-up war ebenfalls schlicht und dezent, ihre Frisur war ein flotter Kurzhaarschnitt. Ihr Aussehen sollte signalisieren, dass sie alles im Griff hatte, hatte sie Maggie erklärt. Denn das wurde von einem Lebenscoach erwartet.
    Ihr Geschenk würde Eliza begeistern. Maggie hatte es inmitten einer Ausstellung von Studentenarbeiten auf der Lafayette Street entdeckt. Das Mädchen hinter der Theke hatte gebleichtes Haar und ein breites Lächeln gehabt. Sie hatte Maggie zu jedem Stück eine Geschichte erzählt. Elizas Geschenk (zehn blaue Perlen auf drei dünnen Drähten) stammte von einer Studentin, die an der See großgeworden war. Die Kette hieß Meeresimpression . Maggie hatte das alles auf Elizas Karte geschrieben. Es würde ihr gefallen.
    Das Geschenk für ihre Tante Miranda befand sich im nächsten Paket. Für Miranda brauchte man nie Schmuck, Parfum, Make-up, Schals, Gin oder süßlich riechende Seife zu kaufen. Miranda badete in Schönheitsprodukten und Luxusgütern. Sie flog nun schon seit zwanzig Jahren um die Welt und lebte mittlerweile in Singapur, dem Paradies des zollfreien Einkaufs. In ihrem Luxusapartment auf der fünfunddreißigsten Etage eines eleganten Wohnblocks mit Blick aufs Meer sah es wie in einem Kaufhaus aus. Mirandas Schmuckkoffer quoll über vor Perlen und Goldketten, in ihrem Badezimmerschrank drängten sich die Parfumflaschen, auf der Ablage stand ein großer Korb mit Gästeseife aus all den Luxushotels, in denen sie gewohnt hatte. Allein mit ihren Hautpflegeprodukten hätte man eine dermatologische Praxis bestücken können.
    Fünf Jahre zuvor, mit dreiundvierzig Jahren, hatte Miranda das attraktive Angebot ihres derzeitigen Arbeitgebers angenommen – eine exklusive asiatische Fluggesellschaft -, weniger zu fliegen und stattdessen Ausbildungsleiterin zu werden. Daraufhin war sie fünf Etagen höher im gleichen Haus in eine feudale Penthousewohnung gezogen. Sie hatte Maggie bei einem ihrer regelmäßigen Telefonate beschwingt erzählt, dass sie das frühe Aufstehen und die trockene Haut keine einzige Minute vermissen würde und auf dem Boden sehr viel glücklicher war. Die neue Aufgabe erlaubte ihr auch ein regeres Sozialleben. In Singapur wimmelte es von Piloten mit sehr viel freier Zeit.
    In jedem Fall war Miranda zu beschäftigt, um sich mit etwas so Zeitaufwändigem wie dem Stöbern nach Büchern abzugeben. Sie hatte Maggie vor vielen Jahren schon die Aufgabe übertragen, Buchhandlungen nach interessanter Lektüre zu durchforsten. Als Kind hatte sich Maggie am Umschlag oder den Ratschlägen der Verkäufer orientiert, nachdem sie erklärt hatte, sie würde ein Buch für ihre Tante suchen, also was könnten sie ihr empfehlen? (Miranda hatte sie entsprechend gebrieft.) Mittlerweile verließ sich Maggie zunehmend auf Buchrezensionen aus Zeitungen. Dieses Jahr befanden sich drei Bücher in ihrem Paket, dazu die entsprechenden Erläuterungen, wie von Miranda bestellt. Maggie hatte Stunden in den Buchhandlungen und Antiquariaten New Yorks verbracht. Sie hatte den Erstlingsroman eines jungen mexikanischen Autors entdeckt, eines aufgehenden Sterns am Firmament der Literatur. »Rustikal und sprachgewaltig«, hatte Maggie geschrieben. Das zweite Buch war ein Benimm-Ratgeber voller skurriler Anekdoten – »Die Autorin ist die Schwester eines Kindermädchens im Dienst der britischen Königsfamilie und vom korrekten Umgang mit Messer und Gabel geradezu besessen« -, das dritte Buch war eine Studie über die globalen Auswirkungen des Baumwollanbaus: »Auf einen Nenner gebracht: Baumwolle = Umweltzerstörung. Ein Drittel aller Pestizide weltweit wird beim Baumwollanbau eingesetzt.« Miranda würde nicht alle drei Bücher lesen. Maggie hörte förmlich beim Packen, wie ihre Tante amüsiert sagte: »Ich soll das alles lesen? Darling, dafür habe ich wirklich keine Zeit. Aber ich muss davon gehört haben, das ist viel wichtiger. Und such mir ja Bücher mit schicken Umschlägen aus, damit sie sich in meinem Regal gut machen.«

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