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Die Toechter der Familie Faraday

Die Toechter der Familie Faraday

Titel: Die Toechter der Familie Faraday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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Türkischen Honig, der nach Rosenwasser und Puderzucker duftete und aus einem überfüllten, grell erleuchteten Lebensmittelladen nahe der Orchard Street stammte. Als letzte Zutat war eine kleine Schachtel in das Paket gewandert, die quadratische Buttertoffees unter einem Deckel mit einem Gemälde von Aborigine-Künstlern enthielt. Darauf war sie völlig unerwartet in einer ebenso unerwarteten australischen Eisdiele im East Village gestoßen. »Diesmal eine Reise durch sieben Länder!«, schrieb sie auf die Karte, bevor sie wie immer, mit »Alles Liebe von Deiner Maggie xxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxxxx« unterschrieb. Sechsundzwanzig Küsse für sechsundzwanzig Lebensjahre. Auch eine Tradition aus Kindertagen. Leo blieb strikt bei einem x und schrieb sein Alter in Klammern daneben – achtundsiebzig war er geworden -, weil er sonst für all die Küsse ein ganzes Jahr brauchen würde, wie er meinte.
    Sie berührte das zweite Paket. »Frohe Weihnachten, Juliet.« Nach zehn Jahren in Sydney lebten Juliet und ihr Mann nun in Manchester in einem großen, dreistöckigen Reihenhaus mit Büro, von wo aus sie ihre Café-Kette leiteten und dessen Wände mit Regalen alphabetisch geordneter Kochbücher überzogen waren. Das Büro führte zu einer eleganten Testküche mit hochwertigen Pfannen, Töpfen, Öfen und Herden. Auf den Bildern diverser Zeitschriftenartikel posierte Juliet immer in dieser Küche. Juliet sah genau aus, wie eine Köchin aussehen sollte, fand Maggie. Mit Kurven, einem Lächeln und blitzenden Augen. Ihr Bild sollte auf Puddingpulver-Päckchen oder Sahnebechern sein. Vor Wohlbefinden strotzend.
    In ihrer Freizeit sammelte Juliet Vasen aus edlem Glas. Maggie hatte ihr im Laufe der Jahre Dutzende gekauft. In New York hatte sie gleich Manhattans Raritätenläden und Einrichtungsgeschäfte durchstöbert. Vor zwei Wochen war sie mit dem Zug von der Penn Station aus nach Boston gefahren. In der Nähe des Boston Common, des alten Parks, war sie vor einem Antiquitätenladen stehen geblieben. Im Fenster hatte eine wunderschöne, blassblaue Vase geschillert. Genau das Richtige für Juliet. Maggie war ins Geschäft gegangen, bereit, ihr selbst gesetztes Limit zu überschreiten. Die Frau hinter der Theke hatte bei der Begrüßung kaum gelächelt, Maggie von Kopf bis Fuß gemustert und sie mit ihrer ausgeblichenen Jeans, dem langärmeligen T-Shirt, der herkömmlichen Tasche und Schuhen, die zum Gehen und nicht zum Stolzieren gemacht waren, der Bedienung für unwürdig befunden. Sie hatte weder Hallo noch »Kann ich Ihnen helfen?« gesagt, noch hatte sie auf Maggies Gruß reagiert. Sie hatte Maggie nur misstrauisch beäugt, halb als Verkäuferin, halb als Ladendetektivin.
    Wenn Maggie den Laden in einem ihrer Londoner Outfits betreten hätte – in einem schicken Designer-Anzug oder Etuikleid, oder lässiger in teuren Jeans, einer maßangefertigten Bluse, Kaschmirjacke und Lederstiefeln -, wäre der Empfang ein anderer gewesen. Maggie ging nach wenigen Sekunden, ohne einen weiteren Gedanken an den Laden oder die Vase zu verschwenden. Auch die Verkäufer mussten ihr sympathisch sein. Besonders, wenn das Geschenk für Juliet war.
    Die perfekte Vase fand sich dann in einem Einrichtungsladen im Greenwich Village, nur drei Straßen von Maggies Apartment entfernt. Zufällig war die Frau in dem Laden auch zugleich die Künstlerin. Sie erklärte Maggie, wie sie den dramatischen Effekt in dem zarten Material erzeugt hatte, das rote Schimmern vor Streifen aus tiefem Grün. Sie hatte Maggie ebenso gut gefallen wie die Vase. Sie hatte das Glas sorgfältig mit farblich passendem Papier verpackt. In Weihnachtsfarben. Genau richtig für Juliet.
    Das dritte Päckchen war wesentlich kleiner. »Dir auch frohe Weihnachten, Eliza.« Für Eliza Geschenke zu finden war einfach. Maggie hatte ihr gekauft, was sie jedes Jahr bekam: eine Halskette. Eliza besaß unzählige und trug jeden Tag eine – lange Perlenreihen, Ketten mit schweren dramatischen Anhängern, zarte Goldschnüre. Wenn Maggie als Kind zu Besuch bei Eliza gewesen war, hatte sie ihr Ketten gebastelt, sorgfältig hölzerne Perlen auf Baumwollschnüre gefädelt, Formen aus Pappmaché auf Garn gereiht oder selbst Perlen gemacht: Streifen noch feuchten, bemalten Papiers um Streichhölzer gewickelt, trocknen lassen und dann bemalt.
    All ihre selbst gemachten Ketten hingen noch heute an einem besonderen Bord in Elizas Schlafzimmer. Maggie hatte es bei ihrem letzten Besuch in Melbourne vor mehr

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