Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Toechter der Familie Faraday

Die Toechter der Familie Faraday

Titel: Die Toechter der Familie Faraday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
Vom Netzwerk:
sie die Adresse so aufregend fand:
    CLEMENTINE FARADAY
DAVIS STATION
ANTARKTIS
    Maggie malte sich immer eine polare Poststation aus, in der Pinguine arbeiteten und die Post auf Schlitten ausfuhren. Die Wirklichkeit war viel trivialer – Pakete wurden, je nach Wetterbedingungen, nur einmal oder zweimal im Jahr geliefert. Wenn feststand, wann Clementine das nächste Mal in die Antarktis reiste, würde sie ihr ein Paket dorthin schicken. Dieses adressierte sie an Hobart und malte schnell noch einen Weihnachtsstern und einen Tannenzweig auf den Aufkleber. Sie war froh, dass sich Clementine entschieden hatte, das Weihnachtsfest diesmal nicht mit der Familie zu verbringen. Angeblich hatte es überhaupt nichts mit Maggies Entscheidung zu tun und lag allein an der Arbeit. Doch Maggie zweifelte daran. Aber die Tatsache, dass Clementine auch nicht bei der Weihnachtsfeier sein würde, machte es für Maggie leichter.
    Sie hatte schon die Schlüssel in der Hand, da summte die Sprechanlage. Es war Ray, der Portier. Ein Monteur war auf dem Weg nach oben. Maggie wartete im Korridor.
    »Danke, dass Sie so schnell kommen konnten«, sagte sie und ließ den Mann herein. »Es gibt ein Problem mit dem Herd. Ich bekomme die große Platte einfach nicht an.«
    »Herde leiden irgendwann an Altersschwäche, so wie wir alle. Was haben Sie für einen Akzent? Britisch?«
    »Halb britisch, halb australisch.«
    »Nette Mischung. Ich bin halb Ire, halb Pole.« Er rieb sich die Arme. »Sie sollten mit dem Verwalter auch mal über die Klimaanlage sprechen. Hier drin ist es ja eiskalt.«
    In dem Moment erklang Bing Crosbys »Jingle Bells«. Der Mann sah sich um. Dann bemerkte er die Dekoration, den Beutel voller Geschenke, den Zimtgeruch.
    »Sind Sie zu früh oder bin ich zu spät?«, fragte er.
    »Verzeihung?«
    »Na, das hier.« Er wies in den Raum. »Wir haben Hochsommer. Bei der Hitze fallen die alten Leute wie die Fliegen um, und Sie verkleiden sich als Weihnachtsmann?«
    »Das ist eine Familientradition«, erklärte Maggie rasch. »Wir feiern Weihnachten immer im Juli.« Peinlich berührt nahm sie die rote Mütze vom Kopf und zog den Dufflecoat aus, den sie den ganzen Tag lang getragen hatte. Sie sah sich im Spiegel. Ihr Haar stand zu allen Seiten ab, die Ohren waren viel zu sichtbar. Rasch strich sie ihr Haar glatt. »Ich habe mich nur ein wenig in Stimmung gebracht.«
    »Stimmung ist gut. Woher stammte Ihre Familie noch gleich? Vom Nordpol?«
    Sie rang sich ein dünnes Lächeln ab. Vielleicht hatte er ja recht. Vielleicht hatte sie sich ein wenig hinreißen lassen. Sie stellte die CD ab und zog die Vorhänge wieder auf. Helles Sommerlicht strömte ins Zimmer und wurde vom Lametta und dem glänzenden Stern reflektiert. Der Himmel war blau. Im Park sonnten sich die Menschen. Maggie blies die Duftkerze aus und schaltete die blinkende Lichterkette aus. Wozu das alles? Hatte sie gehofft, so ihr Heimweh zu besiegen?
    Der Monteur sah ihr amüsiert zu. »Genau so ist Weihnachten. All die Mühe, und dann ist der ganze Spuk in einer Sekunde vorbei. Soll ich mir jetzt mal den Herd ansehen?«
    Maggie führte ihn in die Küche. Er inspizierte die defekte Herdplatte, sagte aber nichts zu dem Topf mit Glühwein auf der anderen. Maggie auch nicht.
    »Gefällt es Ihnen hier in New York?«, fragte er, als er die Drähte löste und den Zünder austauschte.
    Sie nickte. »Ja, sehr. Es ist toll.«
    »Sind Sie beruflich hier?«
    »Nein.« Sie schwieg einen Moment. »Eher im Gegenteil.« Maggie verspürte den plötzlichen Drang, sich mit ihm an einen Tisch zu setzen, ihm einen Tee zu machen und alles zu erzählen. Sie sehnte sich nach einem Gespräch. Aber sie hatte Angst, dass sie nicht mehr aufhören könnte, wenn sie erst einmal loslegte. Außerdem hatte sie Miranda versprechen müssen, nicht ständig darüber zu reden.
    »Das Apartment gehört dir, solange du willst«, hatte ihre Tante gesagt. »Aber nur unter der Bedingung, dass du die Sache nicht ständig aufs Neue durchkaust, verstanden? Ich kann dich natürlich nicht daran hindern, dir weiterhin Vorwürfe zu machen, obwohl dich keine Schuld trifft, aber glaub mir, Büßerhemden sind in New York vollkommen out.«
    Sie hatte ebenso unverblümt auf Maggies Ankündigung reagiert, nicht am Juli-Treffen teilnehmen zu wollen. »Aber du musst kommen. Das ist doch kein Weihnachtsfest, wenn wir kein Kind dabeihaben, das die Lichter bestaunt und sich auf die Geschenke freut.«
    »Ich bin sechsundzwanzig, Miranda.« Sie

Weitere Kostenlose Bücher