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Die Toechter der Familie Faraday

Die Toechter der Familie Faraday

Titel: Die Toechter der Familie Faraday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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war nicht in Stimmung für Frotzeleien gewesen.
    Juliet hatte es bei ihrem Telefonat am Vortag auf die verständnisvolle Weise versucht. »Maggie, bitte überleg es dir noch einmal. Noch ist es nicht zu spät. Buch dir einen Flug und komm. Das wird dir guttun. Du solltest nicht so allein sein, nicht nach allem, was passiert ist.«
    Maggie war in Versuchung gewesen. Sie hatte es sich ausgemalt: Sie würde in Belfast ankommen, sich einen Wagen mieten und Richtung Westen fahren, durch die karge Landschaft mit ihrem gelben Ginster und violetten Heidekraut vor dem dunklen Braun der Torffelder, links die Berge, hin und wieder ein Blick auf das Meer, dann der Ausblick, der sich oberhalb von Glencolmcille eröffnete. Sie war im Geist durch das Dorf gefahren, über die kurvige Straße, die enge Steinbrücke, die steile Auffahrt hinauf zum Haus. Sie war ins Haus gegangen, zum Kaminfeuer im Wohnzimmer, das brannte, obwohl Sommer war. Aus der Küche duftete es nach Essen, im Eingang stand der geschmückte Baum, und sie legte mit Wonne ihre Geschenke darunter …
    »Maggie, bitte«, hatte Juliet wieder gesagt. »Komm und feiere mit uns. Mein Kuchen ist so gut wie noch nie. Ich habe ein neues Rezept ausprobiert.«
    Sie hatte Juliet gesagt, es täte ihr leid, aber sie wäre fest entschlossen.
    Eine Stunde später war eine Textnachricht von Clementine gekommen.
    Maggie, bist Du sicher? Wäre es nicht genau das, was Du im Moment brauchst?
    Juliet hatte offensichtlich auch gleich Eliza angerufen oder getextet. Zehn Minuten später hatte das Telefon erneut geklingelt. Die Verbindung war sehr schlecht, ihre Stimmen hatten zwischen Melbourne und New York hin-und hergehallt.
    »Maggie, stimmt das etwa?« Eliza hatte sich gar nicht erst mit einer langen Vorrede aufgehalten. »Ich mache die ganze weite Reise, um die tollste Nichte der Welt zu sehen, und sie kommt nicht?«
    »Die anderen sind doch da, Eliza.«
    »Ich komme doch nicht, um die anderen zu sehen. Von denen habe ich als Kind genug gesehen. Sollen wir darüber sprechen? Ist das vielleicht eine Überreaktion? Du hattest immerhin einen ziemlichen Schock. Das äußert sich vielleicht noch in solchen Entscheidungen.«
    Maggie meinte, Angus zu hören. »Deine Tanten glauben, über dich bestimmen zu können. Triff doch nur ein Mal eine eigenständige Entscheidung.«
    Sie hatte zu Eliza gesagt, dass es an der Tür geklingelt hätte und sie auflegen müsste. Danach hatte sie Bauchschmerzen bekommen. Das Telefon hatte noch zweimal geklingelt, aber sie hatte nicht geantwortet. Als sie eine Stunde später den Anrufbeantworter abgehört hatte, stellte sich heraus, dass sie richtig vermutet hatte. Beide Nachrichten sagten das Gleiche, dass Weihnachten in Donegal ohne sie nicht dasselbe wäre.
    Zwei Tage später hatte das Telefon erneut geklingelt. Clementine hatte ihr mitgeteilt, dass auch sie nicht zur Weihnachtsfeier reisen würde. Maggie hatte gerade aufgelegt, da klingelte das Telefon schon wieder. Es war Eliza. Sie hatte die gleiche Entscheidung getroffen.
    »Woher wissen deine Tanten eigentlich immer so genau, wann sie dich anrufen müssen?«, hatte Angus einmal gefragt. »Haben sie dich mit einem Peilsender ausgestattet?«
    »Alles erledigt, Frau Weihnachtsmann.« Der Monteur war fertig. Er hatte kaum eine Minute benötigt.
    Sie bezahlte ihn und gab ihm ein großzügiges Trinkgeld. »Danke nochmals«, sagte sie und öffnete ihm die Tür.
    »Gerne geschehen. Und fröhliche Weihnachten.«
    Sie zwang sich zu einem Lächeln, dann schloss sie die Tür. Das Geschenkpapier wirkte bei Tageslicht grell, die Dekoration lag auf dem Boden. Der Glühwein roch widerlich süß.
    »Fröhliche Weihnachten«, sagte Maggie zu ihrem leeren Zimmer.

20
    Glencolmcille, Donegal, Irland

    Juliet hatte gerade das letzte Bett bezogen. Sie richtete sich mit einem leisen Stöhnen auf und stützte die Hände in den Rücken. An manchen Tagen fühlten sich ihre fünfzigjährigen Knochen doppelt so alt an.
    Wenigstens war das meiste im Haus schon fertig. Es machte viel aus, dass sie nicht erst einmal durchheizen und den ersten Tag im Garten verbringen, den Rasen mähen und sich den Weg zur Tür durch Ginster und hohes Gras bahnen musste. Es war eine gute Entscheidung gewesen, einen Verwalter einzustellen und das Haus zwischenzeitlich an Feriengäste zu vermieten. Ein Haus sollte nicht lange leer stehen, sonst verflüchtigte sich seine Seele. Die Landschaft ringsum sprach Bände davon, mit all den Hausgerippen und

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