Die Toechter der Kaelte
wirklich richtig, Kaj? Ich meine, der ragt doch nur ein paar Zentimeter über unsere Grundstücksgrenze und stört doch eigentlich nicht. Und wo Stig, der Ärmste, jetzt so krank ist und all das.«
»Krank, ja, kein Wunder. Ich wäre auch krank geworden, müßte ich mit dieser verdammten Hexe zusammenleben. Und Recht muß Recht bleiben. Bauen sie einen Balkon, der auf unseren Grund und Boden hinüberreicht, dann sollen sie dafür auch bezahlen oder den Scheiß abreißen. Die haben uns gezwungen, den Baum zu fällen, oder etwa nicht? Unsere schöne alte Birke, zerkleinert zu Kaminholz, bloß weil Lilian Florin fand, sie würde ihr die Sicht aufs Meer nehmen. Oder war es etwa nicht so, habe ich was falsch verstanden?« Er wandte sich erbost zu seiner Frau um, angestachelt von der Erinnerung an all die Ungerechtigkeiten, die ihnen im Laufe der zehn Jahre, die sie in Florins Nachbarschaft wohnten, widerfahren waren.
»Sicher, Kaj, du hast recht.« Monica senkte den Blick, sich voll bewußt, daß Rückzug die beste Verteidigung war, wenn ihr Mann in diese Stimmung kam. Lilian Florin war für ihn wie ein rotes Tuch, und man konnte nicht vernünftig mit ihm sprechen, wenn die Rede auf sie kam. Aber Monica mußte zugeben, daß nicht allein Kaj schuld daran war, daß es so viel Ärger gegeben hatte.
Mit dieser Lilian war tatsächlich nicht gut Kirschen essen. Hätte die Frau sie nur in Ruhe gelassen, wäre es nie soweit gekommen. Statt dessen hatte diese Florin sie durch sämtliche gerichtliche Instanzen gehetzt, mal wegen falsch gezogener Grundstücksgrenzen, mal wegen eines Pfads, der über ihr Land auf der Rückseite des Hauses führte, wegen eines Gartenhäuschens, das nach ihrer Meinung viel zu dicht an ihrem Anwesen lag, und nicht zuletzt wegen der schönen Birke, die sie vor ein paar Jahren hatten fällen müssen. All das hatte mit dem Bau des Hauses eingesetzt, in dem sie jetzt wohnten. Kaj hatte damals gerade seine Büromittelfirma für ein paar Millionen Kronen verkauft, und sie hatten beschlossen, frühzeitig in Pension zu gehen, das Haus in Göteborg zu verkaufen und sich in Fjällbacka niederzulassen, wo sie bisher jeden Sommer verbracht hatten. Aber besonders viel Ruhe hatten sie nicht gefunden. Lilian hatte tausend Einwände gegen den Neubau gehabt, hatte Anfechtungsklagen und Protestlisten initiiert, um sie am Bauen zu hindern. Als es ihr nicht gelungen war, die Sache zu stoppen, hatte sie aus allen nur erdenklichen Gründen Ärger mit ihnen angefangen. Das in Kombination mit Kajs heftigem Temperament hatte den Nachbarschaftsstreit über jeden Sinn und Verstand hinaus eskalieren lassen. Der Balkon, den Florins gebaut hatten, war nur das letzte schlagende Argument in diesem Kampf, aber da es schien, als könnte die Familie Wiberg recht bekommen, fühlte sich Kaj in einer stärkeren Position, die er gern zur Sprache brachte.
Jetzt flüsterte er, der hinter der Gardine das Terrain sondierte, ihr aufgeregt zu: »Da treten zwei Männer aus dem Haus und setzen sich in den Streifenwagen. Du wirst sehen, daß sie jeden Moment herkommen, um bei uns zu klopfen. Nun ja, egal, worum es geht, ich werde ihnen erzählen, was hier wirklich läuft. Und Lilian Florin ist nicht die einzige, die eine Anzeige erstatten kann. Hat sie mich doch erst vor ein paar Tagen über die Hecke mit Schimpfwörtern überhäuft und gesagt, sie würde sich darum kümmern, daß ich bekäme, was ich verdiene. Ich glaube, das nennt man massive Bedrohung. Dafür kann man ins Kittchen wandern …« Kaj leckte sich die Lippen vor Erregung angesichts des bevorstehenden Kampfes und rüstete sich zum Gefecht.
Monica seufzte, zog sich zu ihrem Sesselplatz im Wohnzimmer zurück, griff nach einer Frauenzeitschrift und begann zu lesen. Sie war außer Stande, sich noch weiter darum zu kümmern.
»Können wir nicht ebensogut mit der Spielkameradin und ihrer Mutter reden, wenn wir nun schon mal hier sind?«
»Ja, sicher«, seufzte Patrik und legte den Rückwärtsgang ein. Eigentlich war es nicht nötig, das Auto zu nehmen, sie mußten nur ein paar Auffahrten weiter nach rechts, aber er wollte die Zufahrt zu Florins Garage nicht blockieren, wenn Saras Vater bald heimkam.
Mit ernsten Mienen klopften sie an die Tür des blauen Hauses, das nur drei Häuser entfernt lag. Ein Mädchen in schätzungsweise demselben Alter wie Sara öffnete.
»Hallo, bist du Frida?« fragte Martin mit freundlicher Stimme. Sie nickte nur und trat zur Seite, um sie
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