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Die Toechter der Kaelte

Die Toechter der Kaelte

Titel: Die Toechter der Kaelte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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echten Ware gefehlt hätte. Wie die anderen unverheirateten Steinmetze hatte auch er seinen Spaß, wenn sich Gelegenheit bot, aber keine der Frauen hatte ihm so zugesagt, daß das Herz in der Brust einen Sprung machte. Und dann war es der Mühe nicht wert. Er kam gut allein zurecht, und die anderen Männer in der Arbeitsgruppe mochten ihn, so daß sie ihn oft zu sich nach Haus einluden und er dennoch ein von Frauenhand bereitetes Essen vorgesetzt bekam. Und dann hatte er ja das Gestein. Das war schöner und treuer als die meisten Weibsbilder, die ihm begegnet waren, und zwischen dem Stein und ihm herrschte eine gute Partnerschaft.
    »Du, Andersson, kannst du mal herkommen?«
    Anders unterbrach seine Arbeit an dem großen Block und drehte sich um. Der Werkmeister hatte ihn gerufen, und wie immer in so einem Fall mischte sich seine Erwartung mit Angst. Wenn der Vorarbeiter etwas von einem wollte, ging es entweder um gute oder schlechte Nachrichten. Entweder gab es mehr Arbeit, oder man erhielt den Bescheid, man könne mit der Mütze in der Hand heimgehen. Anders glaubte an und für sich mehr an die erste Version. Er wußte, daß er ein tüchtiger Arbeiter war, und es gab bestimmt andere, die man vor ihm feuern müßte, falls die Belegschaft reduziert werden sollte, doch andererseits ging es nicht immer nach der Logik. Politik und Machtspiele hatten so manchen guten Steinmetz heimgeschickt, also konnte man nie wissen. Sein starkes Engagement in der Gewerkschaftsbewegung machte ihn außerdem verwundbar, wenn der Arbeitgeber Leute loswerden mußte. Politisch aktive Steinmetze standen nicht hoch im Kurs.
    Er warf einen letzten Blick auf den Steinblock, bevor er losging, um den Meister zu sprechen. Man arbeitete im Akkord, und jede Unterbrechung hatte ein geringeres Einkommen zur Folge. Für diese Arbeit hier bekam er zwei Ore pro Stein bezahlt, daher die Bezeichnung Zweiörestück, und er würde hart schuften müssen, um die verlorene Zeit wettzumachen, falls der Meister viele Worte machte.
    »Guten Tag, Larsson«, sagte Anders und beugte den Kopf, die Mütze in der Hand. Der Meister achtete streng auf die Etikette, und ihm den Respekt zu verweigern, den er nach eigener Ansicht verdiente, wäre ein ebenso guter Grund für das graue Entlassungspapier gewesen.
    »Guten Tag, Andersson«, grummelte der beleibte Mann und zog an seinem Schnurrbart.
    Anders wartete gespannt auf die Fortsetzung.
    »Ja, die Sache ist die, daß wir aus Frankreich die Bestellungeines großen Steins erhalten haben. Der soll zu einer Skulptur werden, und wir gedachten, dich mit dem Herausschlagen des Steins zu betrauen.«
    Vor Freude hämmerte ihm das Herz in der Brust. Doch zugleich verspürte er einen Schreck. Es war eine große Chance, wenn man ihm die Verantwortung für das Herausschlagen des Rohmaterials für eine Skulptur übertrug, das konnte bedeutend mehr Geld einbringen als die normale Arbeit und war außerdem interessanter und eine viel größere Herausforderung. Doch zugleich beinhaltete es ein gewaltiges Risiko. Er trug die Verantwortung, bis man die Skulptur aufs Schiff verladen hatte, und ging etwas schief bekam er für die geleistete Arbeit keine Ore bezahlt. Es kursierte das Gerücht von einem Steinmetz, der zwei Skulpturen in Auftrag hatte, und als er in der Schlußphase der Arbeit steckte, passierte ihm bei beiden ein Fehlschlag. Man erzählte, er sei so verzweifelt gewesen, daß er sich das Leben genommen und die Witwe mit sieben Kindern zurückgelassen hätte. Aber so waren die Bedingungen. Er konnte nichts dagegen tun, und die gebotene Gelegenheit war allzu verlockend, als daß er sie ablehnen konnte.
    Anders spuckte in die Hände und reichte dem Meister die Rechte, der dasselbe tat, und ihre Hände vereinigten sich in einem festen Handschlag. Damit war die Sache besiegelt. Anders würde als Vorarbeiter die Arbeit mit dem Stein überwachen. Es beunruhigte ihn ein wenig, was die anderen im Steinbruch dazu sagen würden. Es gab viele, die bedeutend mehr Berufsjahre aufzuweisen hatten als er selbst, und bestimmt würde der eine oder andere brummen, der Auftrag hätte einem von ihnen gebührt, insbesondere da sie im Unterschied zu ihm Familien zu versorgen hatten und das zusätzliche Geld als willkommenen Zuschuß vor dem Winter betrachteten. Zugleich wußten sie alle, daß Anders, so jung er auch sein mochte, der tüchtigste Steinmetz am Ort war, und dieses Wissen würde das meiste der üblen Nachrede fernhalten. Außerdem würde

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