Die tödliche Heirat
Dieser habe ihr als Alleinerbin sein großes Vermögen vermacht. Jedenfalls lebte sie allein und zurückgezogen auf ihrem Gutsbesitz, ging selten aus, fuhr ab und zu nach New York hinein, um Shopping zu gehen, und umgab sich nur mit einem ältlichen Fräulein, das den Haushalt führte.
Dabei war Ronnie eine gutaussehende, schlanke, schwarzhaarige und etwas olivhäutige Frau, die wußte, daß sie schön war und auf Männer wirkte. Daß man sie trotzdem nie in Begleitung eines Mannes sah, erzeugte verständlicherweise Verwunderung, doch man nahm es schließlich als Beweis für einen wirklich sittsamen Lebenswandel der schönen Witwe.
Sie verbrachte viele Stunden des Tages mit Gartenarbeit. Man konnte – durch die leider zu dichte Hecke – nur mühsam sehen, wie sie die Rosen beschnitt oder die Obstbäume spritzte, in einer engen Jeanshose, die ihre schlanke Figur betörend unterstrich. Oder sie saß auf der Terrasse des Hauses in einem Schaukelstuhl unter einem Sonnenschirm und las. Sie mußte eine große Bibliothek haben, denn noch nie hatte sie sich in den vergangenen sechs Jahren bei den beiden Leihbuchhändlern ein Buch ausgeliehen; und das taten sogar der Bürgermeister und der Apotheker! Abends ging sie früh zu Bett, denn kurz nach dem Dunkelwerden erloschen die Lichter auf dem Gut.
Die Verwaltung des Besitzes war einem wirtschaftlichen Inspektor übertragen, der frei auf seinen Feldern regieren konnte und der zum Monatsende pünktlich sein Gehalt mit der Post erhielt. Auch er hatte Mrs. Wals in den ganzen Jahren nur ein paarmal bei dringenden Anlässen gesehen; den gesamten Ablauf besprach er mit Elizabeth Ready, dem ältlichen Fräulein, das anscheinend von Mrs. Wals alle Vollmachten übertragen erhalten hatte.
Diese Elizabeth Ready war demnach auch im Dorf gut bekannt und sehr beliebt. Man schätzte ihr Alter auf etwa 62 Jahre, und wenn ihr Gesicht auch schon Falten hatte und etwas eingefallen war, so konnte doch jeder sehen, daß sie in ihren jüngeren Jahren eine Schönheit gewesen sein mußte. Einmal hatte sie erzählt, daß sie nie verheiratet gewesen sei. Ihr Leben lang hätte sie unverheirateten Frauen als Gesellschaftsdame gedient. Dadurch sei sie natürlich viel in der Welt herumgekommen. Nun aber wäre sie froh, mit Mrs. Wals zusammen ein ruhiges, zurückgezogenes Leben führen zu können – denn schließlich sei sie nicht mehr die Jüngste. Aber dieses Gespräch, in dem kleinsten Drugstore Patersons geführt, blieb dann auch der einzige Einblick, den Elizabeth Ready Dritten in ihre Vergangenheit gewährte. Man nahm ihr das nicht übel und sagte sich, daß eine 62jährige auch ihre Eigenarten haben dürfe. Manche mutmaßten natürlich auch, die Zurückhaltung sei vielleicht darauf zurückzuführen, daß es da eben doch einmal einen Mann in Miss Readys Leben gegeben habe.
Noch verschlossener aber blieb die Hausdame, wenn sie auf das Vorleben ihrer Arbeitgeberin angesprochen wurde. Keine Auskunft kam über ihre Lippen – außer der Feststellung, daß sie ja erst seit sechs Jahren im Dienst von Mrs. Wals sei und schon deshalb nicht wissen könne, was vorher gewesen sei und woher die Frau ihr Geld habe. Aber selbst wenn sie es wüßte – fügte sie jedesmal abschließend hinzu –, würde sie niemals etwas über ihre Herrschaft verlauten lassen. Womit bewiesen war, daß Miss Ready wirklich eine Hausdame alter Schule verkörperte.
Langsam verebbten auch die Wogen der Neugier in Paterson, und man sprach nur noch selten von den zwei einsamen Frauen da draußen in der weißen Villa. Doch eines Tages rückten die beiden wieder in den Mittelpunkt des Interesses. Man wunderte sich nämlich, daß seit einiger Zeit öfter ein Mann zu Besuch kam und offensichtlich auch von Mrs. Wals empfangen wurde. Es war der kleine Bankier und Geldverleiher Ernest Carlton, der in New York ein sehr übel angesehenes Institut betrieb, mit dem er verkrachte Existenzen unterstützte. Allerdings wurde er nur tätig, wenn er sich einen erheblichen Anteil an den Geschäften sichern konnte. Mit anderen Worten: Mr. Carlton war ein Geldwucherer. Sein Aussehen war ebenfalls nicht geeignet, jemanden für ihn einzunehmen. Seine Gestalt war hager und etwas nach vorne gebeugt; er hatte ein verkniffenes Mausgesicht, und besonders abstoßend wirkten seine nikotingelben Finger. Doch er sprach, als seien seine Zunge und sein Gaumen mit Samt ausgelegt, und es bedurfte großer Nervenkraft, bei dieser ruhigen, schleichenden Stimme nicht
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