Die Tore Der Finsternis
hat?«
Stewart warf Templer einen Blick von der Seite zu. »Mir scheint, wir haben einen ungläubigen Thomas in unserer Mitte.«
»DS Clarke spielt gern den Advocatus Diaboli«, erklärte Templer. »Sie weiß ebenso gut wie wir, dass weitere Tests Zeit und Geld kosten - vor allem Geld - und vermutlich nichts Neues erbringen werden.«
Das war ein Punkt, an den die Polizisten ständig erinnert wurden: Für jeden Fall stand nur ein bestimmtes Budget zur Verfügung. Bill Pryde verbrachte vermutlich ebenso viel Zeit mit dem Addieren von Zahlenkolonnen wie mit der eigentlichen Ermittlungsarbeit. Das war eine weitere Fähigkeit von ihm: einen Fall abzuschließen, ohne das Budget auszuschöpfen. Die hohen Herren im Big House schätzten das sehr an ihm.
»Ich will nur sagen, dass Neilson sich als Sündenbock geradezu anbot. Er war mit Marber verfeindet. Außerdem das Schweigegeld, und...«
»Die Einzigen, die von dem Schweigegeld wissen, DS Clarke«, entgegnete Stewart, »sind die ermittelnden Beamten.« Er setzte die Brille wieder auf. »Sie wollen doch nicht andeuten, dass einer Ihrer Kollegen in diese Sache involviert sein könnte?«
»Natürlich nicht.«
»Also dann...«
Und damit war das Gespräch beendet. Als Siobhan wieder an ihrem Schreibtisch saß, rief sie Bobby Hogan in Leith an. Das hatte sie schon längst vorgehabt. Sie wollte wissen, wie Alexander die Nachricht vom Tod seiner Mutter aufgenommen hatte. Am liebsten hätte sie der Großmutter einen Besuch abgestattet, aber es wäre bestimmt keine unbefangene
Unterhaltung zwischen ihnen beiden möglich. Schließlich hatte Thelma Dow nicht nur Lauras Tod, sondern auch die Verhaftung ihres Sohnes zu verkraften. Hoffentlich kam sie damit einigermaßen zurecht und konnte Alexander geben, was er brauchte. Siobhan hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, eine befreundete Sozialarbeiterin zu bitten, sich ein bisschen um Großmutter und Enkel zu kümmern. Sie ließ ihren Blick durch den Raum schweifen und stellte fest, dass die Ermittlungen mehr und mehr erlahmten. Die Telefone klingelten kaum noch, die Kollegen standen herum und tauschten den neuesten Klatsch und Tratsch aus. Gestern Abend hatte Grant Hood in den Nachrichten erklärt, man habe einen Tatverdächtigen verhaftet, eine Hausdurchsuchung durchgeführt und dabei potentielle Beweisstücke beschlagnahmt. In diesem Stadium war Zurückhaltung geboten, um das weitere Verfahren nicht zu gefährden. Der Mord an Laura Stafford hatte es nicht einmal auf die Titelseiten der Boulevardpresse geschafft. MESSERSTECHEREI IM ROTLICHTMILIEU hatte Siobhan als Schlagzeile gelesen, dazu ein Foto von der Fassade des Paradiso bei Tageslicht und ein kleines Foto von Laura, das schon ein paar Jahre alt sein musste und sie mit langem, dauergewelltem Haar zeigte.
Bei Bobby Hogans Telefon ging eine Weile keiner dran. Schließlich meldete sich die Stimme eines seiner Kollegen.
»Er ist gerade tierisch im Stress, Siobhan. Kann ich Ihnen vielleicht weiterhelfen?«
»Nicht so wichtig. Bei euch ist immer viel los, was?«
»Gestern Nacht ist jemand ermordet worden. Ein kleiner Gauner namens Dickie Diamond.«
Sie unterhielten sich noch ein paar Minuten, dann legte Siobhan auf. Sie ging zu George Silvers und Phyllida Hawes, die gerade über einen Witz lachten.
»Schon gehört, was mit Dickie Diamond passiert ist?«, fragte sie.
»Wer soll das sein?«, fragte Silvers zurück. Hawes nickte jedoch.
»Die Tulliallan-Crew hat ihn noch gestern hier vernommen«, erklärte sie. »Bobby Hogan war heute Morgen da und wollte einiges wissen.«
»Hoffentlich will er uns nicht noch eine weitere Leiche unterjubeln«, warf Silvers ein und verschränkte die Arme. »Ich finde, wir haben uns alle eine Verschnaufpause verdient, oder?«
»Klar, George«, erwiderte Siobhan, »Sie haben sich bei den Ermittlungen auch wirklich ein Bein ausgerissen.«
Sie ging zu ihrem Schreibtisch zurück, gefolgt von seinem wütenden Blick. WPC Toni Jackson kam herein und lächelte, als sie Siobhan entdeckte.
»Heute ist Freitag«, sagte sie und lehnte sich gegen die Schreibtischkante. Silvers hatte sie schon gesehen und winkte devot - offenbar glaubte er immer noch, sie sei mit jemand Berühmtem verwandt. Jackson winkte zurück. »Blödmann«, murmelte sie leise. Dann, an Siobhan gewandt: »Steht dein Date noch?«
Siobhan nickte. »Tut mir Leid, Toni.«
Jackson zuckte mit den Achseln. » Du verpasst doch was, nicht wir.« Sie warf Siobhan einen schrägen Blick zu.
Weitere Kostenlose Bücher