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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Refektoriums.«
    Godwyn drehte sich
sofort um und marschierte zum Refektorium. »Heilige Maria, hilfuns! Er könnte
ins Feuer fallen!«
    Philemon folgte
ihm. Seine Tränen trockneten schon wieder. »Im August wird kein Feuer gemacht.
Bevor es kalt wird, hätte ich ihn weggeholt.«
    Sie betraten das
Refektorium. Am einen Ende des langen Raums befand sich ein breiter Herd.
Philemon schob seinen Arm in den Kamin und fummelte einen Moment darin herum.
Dann holte er einen Rubin hervor, so groß wie ein Spatzenei und voller Ruß. Er
wischte ihn am Ärmel sauber.
    Godwyn nahm den
Edelstein an sich. »Und jetzt komm mit«, sagte er.
    »Was sollen wir
tun?«
    »Simeon wird das
hier finden.«
    Sie gingen in die
Kirche. Simeon suchte noch immer auf allen vieren. »Jetzt«, sagte Godwyn zu
Philemon. »Versuch, dich genau daran zu erinnern, wo du warst, als du das
Kruzifix aufgehoben hast.«
    Simeon schaute
Philemon an; da er keinerlei Gefühlsregung auf dessen Gesicht sah, sagte er in
freundlichem Ton: »Hab keine Angst, Junge. Du hast nichts falsch gemacht.«
    Philemon ging zur
Ostseite der Vierung, dicht an die Stufen, die zum Chor hinaufführten. »Ich
glaube, das war hier«, sagte er.
    Godwyn stieg die
zwei Stufen hinauf und tat so, als würde er suchen. Unauffällig legte er dabei
den Rubin unter die vorderen Sitze, wo er bei einem flüchtigen Blick nicht zu
sehen war. Dann, als habe er plötzlich eine andere Idee, ging er auf die
Südseite des Chors.
    »Komm und such hier
drunter, Philemon«, sagte er.
    Wie erhofft ging
Simeon daraufhin auf die Nordseite und ließ sich mit einem Gebet auf den Lippen
wieder auf alle viere nieder.
    Godwyn rechnete
damit, dass Simeon den Rubin sofort sehen würde. Er tat so, als würde er den
Südchor absuchen, und wartete darauf, dass Simeon den Edelstein fand. Nichts
tat sich. Godwyn kam der Verdacht, dass mit Simeons Sehkraft etwas nicht
stimmte.
    Ob er hinübergehen
und den Rubin selbst »finden« sollte? Dann endlich rief Simeon: »Ah! Hier!«
    Godwyn spielte den
Aufgeregten. »Hast du ihn gefunden?« »Ja! Halleluja!«
    »Wo war er?«
    »Hier — unter dem
Chorgestühl!«
    »Gott sei Lob und
Dank«, sagte Godwyn.
     
    Godwyn beschwor
sich, keine Angst vor Graf Roland zu haben.
    Dennoch fragte er
sich, was der Graf ihm wohl antun könne, als er die Steintreppe zu den
Gästequartieren des Hospitals hinaufstieg.
    Selbst wenn Roland
in der Lage gewesen wäre, vom Bett aufzustehen und sein Schwert zu ziehen, wäre
er wohl kaum so dumm, einen Mönch in einem Kloster anzugreifen — selbst ein
König würde mit so etwas nur schwer durchkommen.
    Ralph Fitzgerald
kündigte Godwyn an, und er ging hinein.
    Die Söhne des
Grafen standen links und rechts vom Bett: der große William in brauner
Soldatenhose und mit schmutzigen Stiefeln, das Haar auf der Stirn schon im
Rückzug begriffen; und der rundliche Richard, dessen Figur von seiner
Genusssucht zeugte, in bischöflichem Purpur. William war dreißig, ein Jahr
jünger als Godwyn. Er besaß die Willensstärke seines Vaters, ließ sich aber
manchmal von seiner Frau gängeln, Lady Philippa. Bischof Richard war achtundzwanzig
und kam angeblich mehr auf seine verstorbene Mutter, denn er hatte nur wenig
von der Kraft und dem eindrucksvollen Gebaren des Grafen.
    »Nun, Mönch«, sagte
der Graf aus dem linken Mundwinkel. »Habt ihr eure kleine Wahl abgehalten?«
    In Godwyn flackerte
Zorn über diese unhöfliche Form der Anrede auf. Eines Tages, schwor er sich,
wirst du mich Vater Prior nennen!
    Seine Entrüstung
verlieh ihm den Mut, dem Grafen die Neuigkeit mitzuteilen. »In der Tat, Mylord,
das haben wir«, sagte er. »Ich habe die Ehre, Euch mitzuteilen, dass die Mönche
von Kingsbridge mich zu ihrem Prior gewählt haben.«
    »Was?«, blaffte der
Graf. »Dich?«
    Godwyn senkte den
Kopf zum Zeichen der Demut. »Niemanden hätte das mehr überraschen können als
mich.« »Du bist nur ein Junge!«
    Die Beleidigung
provozierte Godwyn zu einer heftigen Erwiderung: »Ich bin älter als Euer Sohn,
der Bischof von Kingsbridge!«
    »Wie viele Stimmen
hast du bekommen?« »Fünfundzwanzig.«
    »Und wie viele
waren für Friar Murdo?« »Keine. Die Mönche haben einstimmig …«
    »Keine?«, brüllte
Roland. »Das muss eine Verschwörung sein. Das ist Verrat!«
    »Bei der Wahl
wurden alle Regeln streng befolgt.« »Mir sind eure Regeln scheißegal! Ich lasse
mich nicht von einem Haufen Mönchlein an

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