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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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»Wirst du
morgen zum Prior geweiht?«, fragte sie.
    Godwyn lächelte.
»Alle stellen mir die gleiche Frage. Die Antwort ist: Ja!« »Es heißt, der Graf
will dir einen Kampf liefern.« »Den wird er verlieren.« Caris blickte ihn mit
ihren klugen grünen Augen durchdringend an. »Ich kenne dich schon, seit du ein
Kind warst, und ich weiß, dass du lügst.« »Ich lüge nicht.«
    »Du gibst dich
selbstsicherer, als du dich fühlst.« »Das ist keine Sünde.« »Mein Vater macht
sich Sorgen wegen der Brücke. Friar Murdo würde den Willen des Grafen noch
bereitwilliger erfüllen als Saul Whitehead.« »Murdo wird nicht Prior von
Kingsbridge.« »Du fängst schon wieder an.«
    Ihr Scharfsinn
ärgerte Godwyn. »Ich weiß nicht, was ich dir sagen soll!«, stieß er hervor.
»Ich bin gewählt worden, und ich beabsichtige, das Amt auch anzutreten. Graf
Roland würde mich gerne aufhalten, das stimmt, aber er hat nicht das Recht
dazu, und ich werde ihn mit allem bekämpfen, was mir zur Verfügung steht. Habe
ich Angst? Ja. Aber ich bin trotzdem fest entschlossen, ihn zu schlagen.«
    Caris lächelte.
»Genau das wollte ich hören.« Sie schlug ihm auf die Schulter. »Geh und schau
nach deiner Mutter. Sie ist in deinem Haus und wartet auf dich. Eigentlich bin
ich nur gekommen, um dir das zu sagen.« Mit diesen Worten drehte sie sich um
und ging.
    Godwyn verließ die
Kathedrale durchs Nordportal. Caris ist wirklich klug, dachte er mit einer
Mischung aus Bewunderung und Zorn.
    Sie hatte ihn zu
einer Einschätzung der Lage verleitet, die weit genauer war als alles, was er
anderen gegenüber gesagt hatte.
    Doch Godwyn war froh,
eine Gelegenheit zu haben, mit seiner Mutter zu sprechen. Alle anderen
zweifelten daran, dass er diesen Kampf gewinnen konnte. Petronilla aber würde
Zuversicht und Selbstvertrauen haben — und vielleicht ein paar strategische
Ideen.
    Godwyn fand seine Mutter
in der Halle. Sie saß am Tisch, der für zwei mit Brot, Bier und einem Teller
Pökelfisch gedeckt war. Godwyn küsste sie auf die Stirn, setzte sich und sprach
das Tischgebet.
    Dann gestattete er
sich einen Augenblick des Triumphs. »Geschafft!«, sagte er. »Ich bin der
gewählte Prior. Endlich. Wir speisen jetzt im Haus des Priors!«
    »Aber Roland
bekämpft dich noch immer«, sagte Petronilla.
    »Und er kämpft
härter, als ich erwartet habe. Aber er hat nur das Recht zur Nominierung, nicht
zur Wahl. Pech für ihn, dass sein Kandidat nicht immer gewählt wird.«
    »Die meisten Grafen
würden das hinnehmen, aber nicht Roland«, sagte Petronilla. »Er fühlt sich
allen und jedem überlegen.« In ihrer Stimme lag eine Bitterkeit, die — so
vermutete Godwyn — der Erinnerung an die aufgelöste Verlobung vor mehr als
dreißig Jahren entsprang. Petronilla lächelte rachsüchtig. »Schon bald wird er
erkennen, wie sehr er uns unterschätzt hat.«
    »Er weiß, dass ich
dein Sohn bin.«
    »Dann wird auch das
eine Rolle spielen. Wahrscheinlich erinnerst du ihn an sein unehrenhaftes
Benehmen mir gegenüber. Das genügt schon dafür, dass er dich hasst.«
    »Es ist eine
Schande.« Godwyn senkte die Stimme für den Fall, dass ein Diener vor der Tür
lauschte. »Bis jetzt hat dein Plan wunderbar funktioniert. Mich aus dem
Wettbewerb zurückzuziehen und dann alle anderen in Misskredit zu bringen… das
war brillant.«
    »Aber wir könnten
immer noch alles verlieren. Hast du noch mehr zum Bischof gesagt?«
    »Nein. Ich habe ihn
daran erinnert, dass wir über Margery Bescheid wissen. Er hatte Angst — aber
nicht genug, um seinem Vater zu trotzen, wie es aussieht.«
    »Das sollte er
aber. Wenn die Sache herauskommt, wird man ihm nicht verzeihen. Er könnte als
niederer Ritter enden wie Sir Gerald, der seine Tage als Muntling verbringt.
Ist ihm das nicht klar?«
    »Vielleicht glaubt
er, dass mir der Mut fehlt, mein Wissen preiszugeben.« »Dann wirst du mit der
Information zum Grafen gehen müssen.« »Himmel! Er wird außer sich sein!« »Dann
weißt du wenigstens, womit du zu rechnen hast.« Petronilla war kalt wie ein
Fisch. Das war auch der Grund, weshalb Godwyn Begegnungen mit ihr stets mit
Anspannung und Furcht entgegen fieberte. Seine Mutter wollte stets, dass er
noch kühner wurde, noch größere Risiken einging als ohnehin schon … und er
konnte sich ihr nie widersetzen.
    Petronilla fuhr
fort: »Wenn herauskommen würde, dass Margery keine Jungfrau mehr ist, wäre die
Hochzeit geplatzt. Roland

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