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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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in schmutziger Reitkleidung stürmte in die Kapelle, stellte sich mit ausgebreiteten Armen vor den Altar und rief: »Verrat! Verrat! Der Reichsverweser ist ermordet!«
    Alles sprang auf und schrie durcheinander. Der junge König erblasste. Sein Vormund und Vertrauter, Erzbischof Engelbert von Köln – tot?
    »Ein Meuchelmord!«, brüllte der Bote. »Man hat ihn erdolcht, feiges Pack!«
    »Wer?«, rief mit zornesrotem Gesicht Herzog Ludwig von Bayern.
    »Ein Verwandter, angeblich wegen eines Familienzwists!«
    »Das glaubst du doch selber nicht!« Der Burggraf von Nürnberg drängte sich nach vorn.
    Eine Frau kreischte: »Das waren die Feinde der Krone!«
    »So ist es! Man will das Reich zugrunde richten!«
    »Nur die verdammten Staufer!«, entgegnete jemand mitten aus der Menge.
    »Die Staufer sind das Reich!«
    »Verräter! Es lebe König Heinrich!«
    »Und unser Kaiser, der zweite Friedrich! Hoch!«
    Viele stimmten in die Hochrufe ein, andere brüllten dagegen an.
    »Friede! Friede!« Bischof Ekbert von Bamberg streckte sein Kruzifix hoch, um die Menschen zu beruhigen, aber niemand achtete auf ihn.
    »So wie Engelbert soll es jedem Speichellecker und Stauferknecht gehen!« Niemand wusste, wer dies gerufen hatte, aber die ersten Königstreuen begannen daraufhin in einer Ecke der Kapelle ein Gerangel. In der hitzigsten Aufregung zogen einige Heißsporne ihre Schwerter und begannen, in der Enge aufeinander einzuschlagen. Dolche blitzten, Panik brach aus. In fieberhafter Eile brachte man erst den zutiefst erschütterten jungen König und seine frisch angetraute Ehefrau in Sicherheit, dann das zweite Brautpaar und den Bischof. Die Gäste auf der Empore flohen durch die kleine Pforte in die herrschaftlichen Gemächer. Drunten tobte der Aufruhr, Männer brüllten, Frauen schrien um Hilfe. Wer nicht kämpfte, drängte in verzweifelter Aufregung aus der Kapelle, versuchte draußen über eine hölzerne Treppe nach unten zu flüchten. Da plötzlich, ein lautes Knirschen und Knarzen! Die Balken hielten nicht stand; die Stufen barsten! Die ganze Treppe brach unter der Last der vielen Menschen zusammen und riss unter großem Getöse alle mit sich, die sich darauf befunden hatten.
    Erst die gellenden Schreie der Verletzten brachten den Kampf in der Kapelle zum Erliegen. Man stürmte heraus, versuchte zu retten, was zu retten war. Verwundete wurden unter den Trümmern hervorgezogen, stöhnend, blutend, mit gebrochenen Gliedmaßen. Die meisten waren Frauen und Kinder; die Männer hatten sich ja am Getümmel in der Kapelle beteiligt. Ganz unten unter den Trümmern konnte man nur noch Tote bergen. Entsetzen und Ernüchterung machten sich breit. Die Hochzeit des Königs, als prachtvollstes Fest des Jahres geplant, hatte in einer schrecklichen Tragödie geendet.
     
    Elisabeth war mit ihren Zofen und der ganzen Familie rechtzeitig von der Empore geflüchtet und war so vom Unglück auf der Treppe verschont geblieben. Natürlich interessierte sich ab da kaum jemand mehr für die seltsame Landgräfin von Thüringen, man hatte Wichtigeres zu regeln und zu besprechen. Der Mord an Erzbischof Engelbert und die Todesfälle überschatteten das ganze Fest. Gottesdienste fanden statt, die betroffenen Familien reisten mit ihren Toten ab, um sie daheim zu begraben. Staufergegner und -befürworter schlossen fürs Erste eine Art Waffenstillstand. Nach einer Trauerzeit von sieben Tagen entschied man sich, als Zeichen für den frisch verabredeten Frieden, ein Bankett abzuhalten. Irgendwie musste die Königshochzeit ja doch noch zu einem guten Ende gebracht werden.
    Elisabeth selber hatte seit dem Hochzeitsgottesdienst das Frauenzimmer nicht mehr verlassen. Sie war überzeugt, dass die Katastrophe eine Strafe des Himmels für die Hoffart und das Prachtgehabe des Adels gewesen war. Gott zürnte den Prassern und Fressern, den Ehrgeizigen und Machtgierigen. Es war ein Fehler gewesen, sich unter diese Menschen zu mischen, sich nach ihren Ansprüchen zu richten. Elisabeth beschloss, dem Hof ihre Missbilligung vor Augen zu halten, den Menschen ihre Sünden aufzuzeigen. Es war an der Zeit.
    Zum Abschiedsbankett tauchte sie wieder auf, zur Überraschung vieler und zur Belustigung der meisten, in einfachen Wollkleidern und ohne jeglichen Schmuck. Die allgemeine Stimmung war zwar noch gedrückt, aber alle versuchten, schon den Brautpaaren zuliebe, gute Laune vorzuschützen. Man aß und trank, ließ sich gerne ablenken von den Vorträgen der Sänger und

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