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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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leichtfertigen Reden anrichtest? Ist dir klar, was deine Worte wirklich bedeuten?« Sophia redete sich immer mehr in Rage. »Du stellst die Einrichtung aller Dinge des Lebens in Frage! Du unterhöhlst die Gesetze unserer Gesellschaft, indem du alle gleichmachen willst! Willst dem Volk dasselbe zugestehen wie dem Adel! Prangerst an, dass wir alle uns zu Unrecht bereichern! Wirfst uns vor, die schlimmsten Sünder zu sein. Bist du denn übergeschnappt? Was du forderst, ist unser aller Untergang! Der Umsturz der Weltordnung! Sollen denn die Bauern auf dem Feld die Herrschaft im Reich übernehmen? Sollen am Ende wir diesen elenden Kreaturen dienen? Das wäre unser aller Untergang! Herrgott, nicht einmal dieser Irre aus Assisi fordert solch wahnwitzige Dinge!«
    »Dann muss ich es tun, Mutter.« Elisabeth hatte aufgehört zu weinen. Sophias Worte hatten ihr bewusst gemacht, was ihre Aufgabe war, jetzt erst recht. Sie sah es klar vor sich: Und wenn sich oben und unten verkehrten, es war der Wille des Allmächtigen. »Hast du daheim in Eisenach noch nie aus dem Fenster deiner Klosterzelle gesehen? Hast du nie die Armen und Alten, die Kranken und Hungernden bemerkt, die vor eurem Tor um ein Stückchen Brot bitten? Glaubst du, sie haben ihr schlimmes Schicksal verdient? So wie du die Gnade deiner hohen Geburt?«
    »Natürlich sehe ich diese Leute. Aber Gott hat gewollt, dass unsereins oben ist und die unten.«
    »Da hast du Gott falsch verstanden, Mutter.«
    Sophias Lippen waren schmal wie ein Strich. »Ach, aber du, du hast als Einzige die wahre Erkenntnis! Dass du uns alle in den Schmutz damit ziehst, ist dir gleich.«
    »Ich muss das tun, was Gott verlangt«, sagte sie und sah ihrer Schwiegermutter furchtlos in die Augen, »und nicht, was die Menschen wollen. Es gibt nur eine Wahrheit.«
    »Dann bist du nicht mehr meine Tochter!«
    Elisabeth atmete tief durch. »Ich bin die Tochter des Herrn«, erwiderte sie leise.
    Sophia raffte die Röcke, drehte sich um und verließ die Kammer. Mit lautem Krachen fiel die Tür ins Schloss.
     
    Müde und zutiefst verletzt setzte sich Elisabeth in die Fensternische. Ja, dachte sie, ich passe einfach nicht zu diesen Menschen. Ich bin anders. Ein weißer Rabe, so hat mich einmal der Kaplan Berthold genannt. Keiner versteht mich. Alle haben sie nur ihren eigenen Vorteil im Sinn, Geld und Macht. Sie sah zum Fenster hinaus auf die Dächer Nürnbergs, den steilen Burgberg und die weiten Wälder, die die Reichsstadt umgaben.
    Die Tür ging auf, und Ludwig kam herein. Mit einem Seufzer setzte er sich aufs Bett. »Was hast du jetzt schon wieder angerichtet, hm?«, fragte er.
    Elisabeth kamen die Tränen »Ach Ludwig, ich hab doch nichts Böses getan. Ich hab’s doch nur gut gemeint. Immer mache ich alles falsch, auch wenn ich nichts als Gottes Willen kundtue.«
    Er sah sie an, wie sie vor ihm kniete und ihn angstvoll anblickte. »Hasst du mich jetzt auch, so wie die anderen?«, fragte sie mit zitternder Stimme. Ludwig schüttelte den Kopf. »Wie könnte ich dich hassen?«, erwiderte er. »Du bist meine Führerin auf dem Weg zum Himmelreich, das weißt du doch. Wie soll ich ohne dich selig werden?«
    Mit einem kleinen Aufschrei schmiegte sich Elisabeth an ihn. »Ach, Brüderchen«, flüsterte sie, »ich liebe dich so sehr.«

Gisa
    N ach dem öffentlichen Zusammenstoß Elisabeths mit der Königin muss ich zugeben, dass auch ich wütend war. Wie hatte ich mich auf die Prunkhochzeit zu Nürnberg gefreut, auf glanzvolle Tage, Musik und Tanz, auf die vielen neuen Bekanntschaften, die ich schließen würde, auf die berühmte Stadt mit ihren Märkten und Kirchen! Und dann wurde alles ein Albtraum. Warum nur konnte Elisabeth sich nicht ein Mal zurückhalten? Nur ein einziges Mal ihre Überzeugung stille für sich behalten? Wie konnte sie glauben, dass der versammelte Reichsadel freundlich lächelnd zusehen würde, wenn sie durch ihr Benehmen und ihre Aufmachung alle seine Werte in Frage stellte. Wie konnte sie glauben, sie könne ausgerechnet denen, die in Saus und Braus lebten, ihr Ideal von einem christlichen Leben in Armut vermitteln? Sie musste doch begreifen, dass niemand, wirklich niemand, ihre Ratschläge hören wollte und sie allen eine Plage war.
    Obwohl wir nichts dafür konnten, ließ man Guda und mich in den folgenden Tagen spüren, was es hieß, zu Elisabeth zu gehören. »Seht, da kommen die Dienerinnen der frommen Närrin«, hieß es, wenn wir Essen holten oder einen Krug Wein. Andere

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