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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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den Damen des österreichischen Hauses auf der Empore. Neben ihr hatte die Brautmutter Theodora Angelina ihren Platz zugewiesen bekommen, eine echte Prinzessin aus Byzanz, klein, zierlich und mit exotischen Schmuckstücken behängt. Wieder daneben thronte stolz mit erhobenem Haupt die alte Landgräfin Sophia in pelzbesetzter Robe. Auch Elisabeth hatte sich widerwillig über die Maßen kostbar gekleidet und trug goldenes Geschmeide. Sie durfte der Familie hier keine Schande machen, das hatte Sophia ihr am Abend vorher sehr deutlich erklärt. Und Agnes hatte ganz einfach zu ihr gesagt: »Wenn du bei meiner Hochzeit auftrittst wie eine Schweinemagd, kratz ich dir die Augen aus, das schwör ich dir!«
    Elisabeth schob zum wiederholten Mal ihr Diadem zurecht, es drückte und kratzte, und sie spürte schon die Kopfschmerzen kommen. Himmel, wie unwohl sie sich fühlte in all dieser verschwenderischen Pracht. Jeder konnte ihr das ansehen. Aber schließlich war dies nicht ihr Tag, und daheim in Thüringen würde sie wieder so zur Kirche gehen, wie sie es liebte, in einfachsten Gewändern. Also riss sie sich zusammen, so gut es eben ging. Sie wusste ja, dass der Adel ihre Einstellung nicht billigte, und jedes Fehlverhalten würde Ludwig schaden. Natürlich war ihr nicht verborgen geblieben, dass man sie misstrauisch beäugte, ihr Ruf als Sonderling und Störenfried war längst in alle Ecken des Reichs gedrungen. Die Männer stießen sich gegenseitig an, wenn sie kam, und die Weiber tuschelten hinter vorgehaltener Hand. Aber sie würde das aushalten. Elisabeth straffte den Rücken. Die wenigen Tage der Festlichkeiten würden schnell vorübergehen. Bald würde sie wieder in Thüringen sein, allein mit Ludwig, der sie liebte und unterstützte.
    Drunten im Mittelgang der Kapelle standen schon die beiden Brautpaare bereit. Elisabeth sah den jungen König zum ersten Mal, einen dünnen, langaufgeschossenen Vierzehnjährigen mit pickeligem Gesicht und unruhigem Blick. Man erzählte sich von ihm, dass er Gedichte schrieb und Musik liebte und dass er völlig unter dem Einfluss seiner schwäbischen Stauferfreunde stünde. Und er litt wohl unter seinem übermächtigen, hochberühmten Vater, Friedrich  II ., den man schon jetzt »stupor mundi« nannte, das »Staunen der Welt«. Natürlich durfte der junge Staufer noch nicht allein regieren, das tat für ihn der Reichsverweser, Erzbischof Engelbert von Köln; alle rätselten, warum er nicht längst eingetroffen war. Dennoch trug Heinrich die massive juwelenbesetzte Reichskrone, die viel zu groß für seinen schmalen Kopf wirkte. Elisabeth wusste, dass man sie eigens innen ausgestopft hatte, damit sie nicht wackelte. Der König blickte unsicher auf seine Braut Margarete hinunter, eine unscheinbare Zwanzigjährige, deren Ähnlichkeit mit ihrem Bruder nicht zu übersehen war. Der stand mit seiner thüringischen Braut hinter ihr und trat vor lauter Aufregung von einem Fuß auf den anderen. Viel zu lachen wird er mit Agnes nicht haben, dachte Elisabeth. Ihre Ziehschwester hatte im Frauenzimmer schon aus Wut geheult, weil er ihr nicht gefiel. Ach, nicht jede konnte mit ihrem Ehemann so viel Glück haben wie sie! Elisabeth lächelte und hielt Ausschau nach Ludwig, der dort unten irgendwo unter den männlichen Festgästen stehen musste.
    Dann begann die Hochzeitsmesse, und Elisabeth konzentrierte sich auf die Liturgie. Die Brautleute wurden gleich zu Anfang zusammengegeben, der Bischof segnete sie. Elisabeth musste vor Rührung ein paarmal schlucken und dachte an ihre eigene Hochzeit. Endlich entdeckte sie auch Ludwig; er stand schräg unter ihr an der vordersten rechten Säule und wandte ihr sein Profil zu. Wie schön er doch war! Kein Mann auf dem ganzen weiten Erdboden kam ihm gleich! Und er liebte sie, das bewies er ihr jeden Tag aufs Neue. Sie kannte ihn besser als jeder andere, wusste um seine Vorlieben und seine Schwächen. Blind vertraute er ihr alle Dinge an, die ihn bewegten, und auch sie konnte ihm alles erzählen. Nachts, wenn alle schliefen, wisperten sie sich Liebesworte zu. Sie wusste, wo er am liebsten berührt werden wollte, was ihm Lust bereitete. Ach, und die kleine Narbe in seiner Halsbeuge, die küsste sie so gern! Und das lockige blonde Haar auf seiner Brust, das sich so schön kraulen ließ. Und wie er sie ansah, wenn sie alleine waren. Und wie …
    Plötzlich wurde sie von einem lauten Krach aus ihren Gedanken gerissen. Drunten gab es einen Tumult, ein verschwitzter Ritter

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