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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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ziehe ich in Armut durch die Lande. Ich besitze nichts außer dem, was ich auf dem Leibe trage, und ich bitte jeden Tag um Nahrung und Unterkunft.«
    »Ach, ich wollte, das könnte ich auch«, seufzte Elisabeth und knabberte am Ingwerkonfekt. »Aber mein Platz auf dieser Welt duldet das nicht. Etliche aus meiner Familie und auch die vom Adel können nicht verstehen, dass mir mein Reichtum ein schlechtes Gewissen macht, sie halten mich für eine Närrin. Es ist nicht einfach, Gottes Willen zu erfüllen, Herr Konrad, und oft muss ich mich dem Drängen der anderen fügen. Dann überfällt mich jedes Mal schreckliche Angst um mein Seelenheil. Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel kommt, so heißt es doch?«
    »Und das Sprichwort sagt: Jeder Reiche ist entweder ein Dieb oder eines Diebes Erbe«, nickte Konrad.
    »Wie kann ich dann mit gutem Gewissen gottgefällig leben?« Elisabeth sah Konrad flehend an, ihre Augen hingen an seinen Lippen.
    »›Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen; so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben. Dann komm und folge mir nach.‹ Das sind die Worte des Apostels Matthäus.«
    »Aber … aber das kann ich doch nicht tun! Ich bin die Landgräfin von Thüringen.« Elisabeth spürte die Angst in sich aufsteigen. O Gott, hier war endlich jemand, der sie verstand, der so lebte, wie es recht und gottgefällig war. Und jetzt verlangte dieser heilige Sendbote des Himmels von ihr das Unmögliche!
    Konrads Augen wurden schmal. »Was wollt Ihr denn, Frau Elisabeth? Gott dienen oder den Menschen?«
    »Ich … o Himmel, steh mir bei …«
    »Ihr gehört zu den Herrschenden, die wie die Räuber über ihre Untertanen herfallen, die ohne Rücksicht Steuern eintreiben und nach Belieben erhöhen. Könntet Ihr auch für Luft und Sonne Abgaben verlangen, Ihr tätet es wohl. Ihr lebt Euren Wohlstand auf Kosten anderer. Aber Euch gehört nichts zu Recht; jeder Besitz auf Erden ist den Menschen nur von Gott geliehen.« Konrads Stimme war scharf geworden.
    Noch nie hatte ein Mensch so mit Elisabeth gesprochen. Ihr war, als habe ihr jemand ein Messer ins Herz gestoßen. Sie konnte kaum mehr atmen, nichts sagen. Die Sätze des Predigers fielen wie Knutenhiebe auf sie herab. »Ihr vom Adel, ihr presst das Volk aus. Ihr macht euch Kirchenbesitz zu eigen. Ihr lebt in Saus und Braus, während die Armen darben. Seht Euch doch an: Ihr macht ein Spiel daraus, einfache Kleider zu tragen; heute geht Ihr im Büßergewand, und morgen tragt Ihr wieder Pelz und Seide. Ihr glaubt, wenn Ihr ein paar Pfennige verteilt oder einem Krätzigen die Füße wascht, erkauft Ihr Euch die ewige Seligkeit. Ihr bildet Euch ein, dass Ihr genug Demut vor dem Herrn zeigt, wenn Ihr bei der Messe Eure Krone ablegt. Aber Gott sieht, ob einer nur tändelt oder ob es ihm wirklich ernst ist. Nackt, Frau Elisabeth, nackt sollt Ihr Euch Eurem Herrgott in die Arme werfen!«
    Elisabeth schlug die Hände vors Gesicht. In ihr war nichts als Schwärze. Ja, sie lebte in furchtbarer Sünde, sie war schwach, ihre Seele würde in die Hölle fahren, ins ewige Nichts, in die Verdammnis. »Was soll ich denn tun?« Die Tränen liefen ihr übers Gesicht, ein Weinkrampf schüttelte sie am ganzen Körper.
    Konrad sah der jungen Landgräfin eine Weile ungerührt zu. In seinem Hirn arbeitete es. Dieses Weib kämpfte einen inneren Kampf; sie schien tatsächlich außergewöhnlich fromm und gottesfürchtig zu sein. Das lag vielleicht auch an ihrer Herkunft; schließlich waren drei Heilige unter ihren Vorfahren. In Konrad keimte ein Gedanke. Erst einmal musste er die Landgräfin beruhigen. Er legte ihr die Hand tröstend auf die Schulter und wartete, bis das Schluchzen verebbte. Dann sagte er: »Was Ihr noch tun sollt? Ihr müsst Euch ganz und gar für Gott entscheiden, so wie es Eure heiligen Ahnväter getan haben.«
    Elisabeth blickte auf. »Ach, wie gern folgte ich ihnen nach.« Sie wischte sich die Tränen ab und sah Konrad an. »Als Kind, wisst Ihr, da wollte ich eine Heilige werden, wie sie. Das war mein größter Wunsch. Heute weiß ich, dass das gar nicht mehr geht.«
    »Wie kommt Ihr darauf?«
    »Nun, Ihr wisst es doch am besten: Alle heiligen Frauen waren jungfräulich. Ich hingegen bin verheiratet und habe zwei Kinder. Seit meiner Hochzeit quält mich die Vorstellung, nicht als Jungfrau sterben zu können.«
    »Ihr hadert damit, ein Eheweib zu sein?«
    »Ach, Herr Konrad,

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