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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Sie ist ja so fromm, die Walfrieda, nicht einmal bei der Beichte hat sie was zu berichten, die Gute. Ich kann nicht glauben …«
    »Es ist unerheblich, was Ihr glaubt«, fiel ihm Konrad scharf ins Wort. »Ich will dieses Weib morgen früh sehen. Bringt sie zu mir auf die Burg.«
     
    Am Mittag des nächsten Tages wankte Walfrieda im Büßerhemd und mit geschorenen Haaren durch das Tor der Tenneburg. Man hatte sie mit Ruten gestrichen, um ihr ein Geständnis zu entlocken, worauf sie zugegeben hatte, den Teufel anzubeten. Danach vergab ihr Konrad im Namen des Herrn den Sündenfall. Ihr kleines Vermögen fiel an die Kirche. Hätte sie die Ketzerei nicht zugegeben, wäre sie des Todes gewesen. Konrad hatte ihr immerhin die Wahl gelassen.

Eisenach, zwei Tage später
    D er Platz vor dem Steinhof war trotz der eisigen Kälte von einer unüberschaubaren Menschenmenge gefüllt. In der Stadt ruhten die Geschäfte; keiner, der noch laufen konnte, war daheimgeblieben. Am Abend vorher war der Ausrufer durch die Gassen gegangen und hatte unter lautem Getrommel verkündet, dass der ehrwürdige und weitberühmte Magister Konrad von Marburg am nächsten Mittag auf der Rolle eine Kreuzpredigt halten würde. Pastetenbäcker boten aus ihren Bauchladen Süßes und Salziges feil, und der Wirt vom Hellgrevenhof schöpfte aus einem Kessel heißen Met in hölzerne Becher.
    Alles spielte sich genau so ab wie zwei Tage vorher in Waltershausen. Wortgewaltig hielt Konrad dieselbe Rede noch einmal, nur mit dem Unterschied, dass die Eisenacher viel lauter jubelten, seufzten, schrien und klatschten als die weniger temperamentvollen Waltershausener. Es kam sogar zu einem erneuten Zwischenfall, als eine junge Frau im Gedränge ohnmächtig wurde. Wieder füllte sich nach der Predigt der Opferstock, und wieder gelobten viele Männer begeistert die Kreuzfahrt.
    Während der gesamten Kreuzpredigt hatte eine junge Frau ganz hinten gestanden, dort, wo die Plätze der Armen und der Bettler waren. Sie trug ein einfaches graues Wollkleid und einen hellen Leinenschleier, der bis auf einige vorwitzige schwarze Locken ihr Haar verbarg. Begleitet wurde sie von drei Damen, die edle, aber nicht zu auffällige Kleider trugen. Während der Predigt stand die Frau regungslos da, aber über ihre Wangen liefen unablässig die Tränen, und ihr Gesicht zeigte einen entrückten, beinah glücklichen Ausdruck. Jetzt, nachdem sich die Menschenansammlung langsam auflöste, zog die Frau den Schleier tiefer ins Gesicht und ging über den Platz.
    Konrad und sein Gehilfe nahmen noch Spenden entgegen und teilten Ablässe für die zukünftigen Kreuzfahrer aus. Die Frau wartete geduldig, bis die beiden fertig waren, dann trat sie vor Konrad hin.
    »Was wollt Ihr noch, Weib? Der Opferstock ist dort drüben«, brummte Konrad.
    Elisabeth lächelte. »Was ich zu geben habe, bekommt Ihr droben auf der Wartburg, Magister. Ich lade Euch ein, mein Gast zu sein.«
    Konrad zuckte leicht zusammen. Bei der heiligen Jungfrau, das war die Landgräfin von Thüringen! Es stimmte also wirklich, was man sich über sie erzählte, dass sie sich in einfachen Kleidern unters Volk mische und Kranke pflege und dergleichen. Dass sie vom Glauben so beseelt war wie niemand sonst im Land. Er verbeugte sich knapp. »Herrin, vergebt mir, dass ich Euch nicht gleich erkannt habe. Es ehrt mich, dass ihr meine Predigt gehört habt. Und ich nehme Euer Angebot mit Freuden an. Sobald hier alles erledigt ist, werden mein Gehilfe und ich auf die Burg kommen.«
    Elisabeth nickte. »Gott sei mit Euch.«
    »Und mit Euch, Liebden.«
     
    Am späten Nachmittag saßen Konrad von Marburg und Elisabeth im kleinen Saal der Wartburg zu Tisch. Frische Binsen waren gestreut, das Kaminfeuer brannte, und zwei Kohlebecken spendeten zusätzliche Wärme. Elisabeth hatte zu Ehren des Gastes üppig auftragen lassen, sogar teuren Meerfisch, Pomeranzen und das süße Ingwerkonfekt aus dem Welschland, das sie so liebte.
    Konrad nahm einen Schluck Wein und musterte die Landgräfin ungeniert. »Ich freue mich zu sehen, Liebden, dass Ihr Euren Reichtum nicht mit Schmuck und edler Kleidung zur Schau stellt«, sagte er. »Das ist Gott wohlgefällig.«
    Elisabeth lächelte. »Da seid Ihr wohl einer der wenigen, die nicht an meinem einfachen Gewand Anstoß nehmen.«
    »Unser Herr Jesus ging auch nicht in Samt und Seide«, erwiderte der Prediger. »Wer ihm darin nachfolgt, hat wohlgetan. Auch ich trage raue Wolle, wie Ihr seht, und wie der Heiland

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