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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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unheilbarer Schmerz und unersetzlicher Schaden; für unser Geschlecht aber wäre es unendliche Scham und allerewigster Vorwurf.« Der Rothaarige machte eine Pause und wischte sich mit dem Ärmel seiner Kutte den Schweiß von der Stirn. Die Leute auf dem Marktplatz waren totenstill, jeder Einzelne spürte Wut, Scham und Entsetzen. Eine junge Frau begann plötzlich zu zucken und fiel hin, Schaumbläschen bildeten sich um ihren Mund. »Jesus, Jesus«, schrie sie. Hilflos und staunend standen die Leute im Kreis.
    »Da, schaut sie an«, rief der Prediger und wies mit ausgestrecktem Arm auf die Fallsüchtige, »sie ist gesegnet. Der Heilige Geist ist in sie gefahren, sie hat die Botschaft verstanden!«
    »Herrgott, rette uns!«, kreischte jemand. Ein Kind weinte. Die Fallsüchtige blutete, sie hatte sich auf die Zunge gebissen. Zwei Frauen rangen darum, das kostbare Blut mit ihren Taschentüchern aufzufangen.
    »Wer seine Seele erretten will, darf jetzt nicht mehr zögern«, donnerte der Prediger in die inzwischen fanatische Menge. »Ihr alle, deren Hand ein Schwert halten kann, tretet den Weg zum Heiligen Grab an, nehmt das Land dort dem gottlosen Volk, macht es euch untertan! Gürtet euch mannhaft und ergreift die Waffen im Eifer für Christi Namen! Kein Besitz, keine Haussorge soll euch fesseln! Der Sieg wird euch Ruhm bringen, und der Tod Gewinn! Ich sage euch: Seht zu, dass euch nicht die Rache Gottes ereilt, weil ihr geduldet habt, dass Jerusalem ein Raub der Heiden geblieben ist!«
    Die Menge schrie auf wie ein Mann. Schluchzende Frauen nahmen ihre Kinder in den Arm, rauften sich die Haare. Und es ging weiter. Der Prediger breitete weit die Arme aus, warf den Kopf in den Nacken und blickte gen Himmel. Dann starrte er wieder die Leute an, fesselte den Blick derer, die noch verhalten wirkten.
    »Christus befiehlt euch: Nehmt das Kreuz! Nie verwelkender Ruhm ist euch im Himmelreich gewiss. Verpflichtet euch ohne Zögern, und ich verspreche euch ewiges Heil! Wer dort hinunterzieht, dem gewähre ich nach der Macht Gottes, die der Heilige Vater mir verliehen hat, dass ihm von Stund an seine Sünden vergeben werden! Jeder, der heute die Kreuzfahrt verspricht, der wird Ablass erlangen. Und ich verkünde euch: Nicht nur die gutchristlichen Kämpfer für den Glauben werden Erlösung finden, nein, auch dem schlimmsten und erbärmlichsten Sünder wird vergeben! Mögen die Räuber Soldaten werden, der Herrgott wird sie dafür lieben und belohnen!«
    Die Menge jubelte begeistert, ja entrückt. Dieser Mann dort droben war vom Himmel gesandt, ein Engel, der von Blut und Rache kündete!
    »Ja«, schrie der Prediger, »die Ware ist billig, wenn man sie kauft; und wenn man fromm für sie bezahlt, ist sie ohne Zweifel das Reich Gottes wert! Schlagt ein den Weg zur Vergebung eurer Sünden und erntet himmlischen Lohn im Paradies. Beim Atem des Herrn, wer von euch will da noch zögern? Ihr habt die Wahl: Auf der einen Seite, wenn ich fort bin, werden die Elenden sein, auf der anderen die wahrhaft Reichen; hier die Freunde Gottes, dort seine Feinde. Und ich frage: Will einer von euch der Feind des Herrn sein?« Drohend starrte er in die Menge.
    »Niemand!«, brüllte einer, und alle fielen ein. »Niemand!«
    »Dann kommt und nehmt das heilige Kreuz aus meiner Hand! Wer will der Erste sein?«
    Etliche Männer drängten sich nach vorne, wo der Prediger nun einen roten Stofffetzen hochhielt. »Zu mir, meine Kinder! Gott will es! Und wenn ihr gefragt werdet, wer euch für diesen Kreuzzug geworben hat, so saget ihm: Konrad von Marburg!«
     
    Am Ende des Tages hatten sechsundzwanzig Männer das Gelübde abgelegt und dafür Ablass von ihren Sünden erhalten, darunter ein auf seine Hinrichtung wartender Mörder und Brandstifter und ein Viehdieb, der im Stock lag. Die Waltershausener waren zutiefst beeindruckt, ja vom Glauben beseelt. Jemand raunte, während Konrads Predigt habe etwas Helles wie ein Heiligenschein über seinem Haupt geschwebt, ein anderer behauptete, er habe ein leuchtendes Kreuz am Himmel gesehen, im Osten, dort wo Jerusalem lag. Ein ausgezehrter, unscheinbarer Mann hatte diese Wunder bewirkt. Welche Gnade, dass man das hatte erleben dürfen!
     
    Alles in allem ein zufriedenstellendes Ergebnis, dachte Konrad, als er später in seiner Kammer auf der Burg den Inhalt des Opferstocks zählte. Neunundvierzig Pfennige und mehr als zwei Dutzend Kreuzfahrer! Wieder ein guter Tag im Kampf für den Glauben. Nun ja, er war den Erfolg

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