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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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heißen?«
    Sie sah ihn mit großen Augen an. Der Pfarrer tat einen Stoßseufzer. Auch das noch. Dumm wie ein Schaf, dachte er, aber nicht zu dumm, um mit dem nächstbesten geilen Bock ins Heu zu kriechen.
    »Weißt du denn keinen Namen, Mädchen?«, versuchte er es noch einmal.
    Es kam nur ein Kopfschütteln.
    »Hm.« Vater Zacharias zupfte sich am Ohr. »Wie heißt denn der Vater?«
    Mechtel zuckte kurz zusammen, dann füllten sich ihre Augen mit Tränen. »Weiß nicht«, flüsterte sie fast unhörbar.
    Auch das noch. Lässt sich mit einem ein, dessen Namen sie nicht einmal kennt! Aber an dem Kind konnte man es schließlich nicht auslassen, und der liebe Gott fragte wohl auch nicht danach, ob ein Täufling in Sünde gezeugt war oder nicht. Vater Zacharias sah das schlafende Kind an und überlegte. Bei der zügellosen Geschlechtlichkeit, die die Mutter in ihrem zarten Alter bewiesen hatte, würde der Junge wohl nicht ihr einziges Kind bleiben – wohl aber das erste. Also tunkte er die Finger ins Taufwasser, sprenkelte ein paar Tropfen auf die Stirn des Säuglings und sagte: »Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes taufe ich dich auf den Namen Primus, Amen.«
     
    »Primus, kannst du dir das merken?«, hatte der Pfarrer gefragt, als sie ihm drei Eier und ein Säckchen Graupen als Altargeld überreicht hatte. Jetzt lief sie den ganzen Weg zurück zum Hof ihrer Hausleute und murmelte mit jedem zweiten Schritt den Namen ihres Sohnes, damit sie ihn ja nicht vergaß. Der Erste, das war die Bedeutung. Sie lächelte, als sie am Flechtwerkzaun des Gemüsegartens vorbeiging. Eigentlich hatte sie ja Glück im Unglück gehabt. Nach längerer Suche war sie tatsächlich auf das Dorf Farnroda gestoßen, und dann hatte die Schwester des Müllers sie aufgenommen. Mitleid hatte sie gehabt mit dem armen Mädchen, so verstört und verlassen und notdürftig, wie sie war. Aber ihr Mann, der Bauer, hatte nur widerstrebend zugestimmt. Einen unnützen Esser mehr konnte der Hof kaum verkraften, da half alle Nächstenliebe nicht.
    Als Mechtel nun von der Taufe zurückkam, fiel ihr der Karren gar nicht auf, der neben dem Misthaufen stand. Nichtsahnend betrat sie das Haus. Aber drinnen sah sie die schuldbewusste Miene der Bäuerin und wusste gleich, dass etwas nicht stimmte. In der verräucherten Stube hockte der Bauer mit einem Fremden zusammen, einen Krug Most auf dem Tisch. Der Mann musterte sie und das Kind neugierig, dann grinste er. Er war massig und grobschlächtig, wenn auch nicht hässlich, trug einen fleckigen Kittel, eine Lederkappe und plumpe Holzschuhe. Sein Haar war strähnig, genau wie der dichte Bart, und ihm fehlte ein Stück vom linken Daumen. Mechtel wich bis zur Wand zurück.
    »Das ist mein Vetter Eberolf«, sagte der Bauer knapp. »Du kannst bei ihm arbeiten, mitsamt dem Kind. Dafür versorgt er euch beide. Seine Hufe liegt in Stregda, nicht weit von hier. Mach dich fertig.«
    Der Fremde stand auf, trat auf sie zu und zwickte sie aufmunternd in die Wange. »Wir werden schon miteinander auskommen, was?«, sagte er. »Solang du mit anpackst. Scheinst ja ganz kräftig beieinander zu sein. Und dein Bankert kriegen wir auch groß.« Dann langte er in seinen Hosensack und holte zwei, drei Halbpfennige hervor, die er dem Bauern in die Hand drückte.
    Damit war die Angelegenheit abgemacht. Mechtel hatte einen Brotherrn bekommen. Und nicht nur das. Zwei Wochen später holte Eberolf sie in sein Bett. Sie wehrte sich nicht. Es war nun einmal das Los der Frau, sich dem Mann zu fügen. Dafür hatten sie und der Kleine wenigstens ein Daheim.

Creuzburg, Sommer 1213
    S chon den ganzen Morgen beobachtete der Landgraf seine älteren Söhne beim Schwertkampf auf der Turnierwiese unter der Burg. Der inzwischen sechzehnjährige Hermann war wieder einmal am Hof, er brauchte bis zu seiner Schwertleite in zwei Jahren eine gute ritterliche Ausbildung. Dabei konnte auch der dreizehnjährige Ludwig schon recht ordentlich mitmachen, auch wenn er, wie ganz gut zu erkennen war, nicht das Talent seines Bruders hatte. Der neunjährige Heinrich Raspe war noch zu klein für Kampfübungen; er stand neben seinem Vater und ließ sich die Ausrüstung erklären.
    »Ein Ritter braucht ein gepanzertes Kettenhemd, einen Eisenhelm, einen dreieckigen Schild, Schwert, Lanze, Kampfsattel, Steigbügel und Sporen«, dozierte der Landgraf. »Das alles kannst du später sehen, wenn wir in die Waffenkammer gehen. Jetzt, zum Üben, tragen deine Brüder

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