Die Tore des Himmels
leichtes Zeug. Das andere ist auch viel zu teuer, um es beim Üben herunterzulumpen. Du musst dir vorstellen, allein ein Panzer ist so viel wert wie ein ganzer Bauernhof. Viele vom Adel können sich eine vollständige Ausrüstung gar nicht leisten. Ah, schau, das war ein guter Schlag!«
Der neben ihm stehende Bernhard von Kaulberg, Waffenmeister und Kampflehrer, nickte anerkennend. Der Edelfreie war ein altgedienter Waffengefährte des Landgrafen, seit dreißig Jahren schon. Seit dem Kreuzzug von 1198 , bei dem er einen Überfall des heidnischen Feindes quasi im Alleingang abgewehrt hatte, war er so etwas wie eine Legende. Generationen von thüringischen Adelssöhnen hatten bei ihm das Kriegshandwerk erlernt. Mittlerweile hatte er die fünfzig überschritten und beschränkte sich meist aufs Zusehen und Erklären, während sein Sohn Raimund die schweißtreibenden Übungen übernahm. Der junge Kaulberger war schon als Knappe in Akkon dabei gewesen und hatte im Alter von vierzehn Jahren im Heiligen Land seine erste Schlacht geschlagen. Mit Schwert und Lanze war er längst besser als sein Vater, und in nicht allzu ferner Zeit würde er einmal sein würdiger Nachfolger sein. Jetzt gab er mit erhobener Hand das Zeichen zum Aufhören. Die Buben waren müde und verschwitzt und brauchten eine Ruhepause.
Gemeinsam mit dem Landgrafen gingen sie hinauf in den Burghof, um sich vom Kellerknecht einen Krug verdünnten Wein zur Erfrischung bringen zu lassen, doch schon beim Tor wurden sie von einer Abordnung Bauern aufgehalten. Es waren Dorfvorsteher und Grundholde aus der Gegend, die nun auf die Knie fielen, Mützen und Kappen in der Hand. Hermann hob unwillig eine Augenbraue. Bauern waren ihm einfach zuwider. Garstige, dreckbeschmierte Tölpel, die nicht in seine feine höfische Welt passten. Ihre krummen Rücken wölbten sich von der schweren Arbeit, sie hatten verknöcherte, blödsinnige Gesichtszüge wie die Esel, borstige Haare und verlauste Bärte. Sie selbst und ihre Kleider waren übelriechend und widerlich. Aber natürlich, man brauchte sie und war für sie verantwortlich.
»Was wollt ihr?« Hermann sah auf die Ansammlung gebückter Gestalten, die da ängstlich vor ihm kauerte.
»Herr, im Namen Gottes, bitten untertänigst um Vergebung«, sagte ein älterer Mann in der Mitte und hob flehend die Hände. Seine Finger waren verkrümmt und gichtig und schwarz vor Dreck. »Wir leisten schon seit dem Frühjahr Frondienste mit unseren Gespannen und unserer eigenen Hände Arbeit. Unsere Felder haben wir kaum bestellen können, das Vieh kaum versorgen, das Haus nicht richten. Unsere Weiber und Kinder können die Ernte nicht allein einbringen …«
Der Landgraf winkte ab. Das alte Gejammer. Immer, wenn die Bauern fronen mussten, versuchten sie sich herauszureden. Dabei war es gerade jetzt wichtig, dass der Bau vorankam, bevor die Steinmetzen vom Niederrhein im Herbst wieder heimzogen. Hermann öffnete den Mund zu einer schroffen Antwort, als jemand an seinem Ärmel zupfte.
»Ach, lieber Vater, im Namen des Herrn Jesus, gewährt den armen Männern doch Urlaub.« Es war Elisabeth, die zusammen mit den anderen Mädchen ihr Spiel unterbrochen hatte, um den Landgrafen zu begrüßen. Jetzt stand sie mit klopfendem Herzen vor ihm und wartete auf die Ohrfeige, die sie wohl verdiente, weil sie sich eingemischt hatte. Doch bevor der Landgraf noch ausholen konnte, erhielt sie unerwartete Hilfe. Ludwig legte den Arm um sie und sah seinem Vater fest in die Augen. »Sie hat recht«, sagte er mit seiner hellen Knabenstimme. »Außerdem, wenn Ihr die Bauern nicht zur Ernte gehen lasst, dann kommt nicht aller Ertrag von den Feldern in die Scheunen, und die Abgaben an die Landesherrschaft werden geringer. Dann reichen vielleicht die Gülten und Zinsen gar nicht aus, um die Hofhaltung über den Winter zu bringen, und wir müssen zukaufen. Und wenn wir zukaufen müssen, fehlt uns das Geld für die Baulichkeiten im nächsten Jahr.«
Hermann war verblüfft. Solch eine lange Rede hatte er von seinem Zweitgeborenen noch nie gehört. Und vor allen Dingen eine solch klare, kluge, sinnfällige Rede. Er warf einen schnellen Blick auf seinen ältesten Sohn, der sichtlich angestrengt über das eben Gesagte nachdachte. Kämpfen konnte der gut, ja, aber wenn es ums Köpfchen ging, da war ihm Ludwig weit überlegen. Der Junge war wahrlich klug und vernünftig über seine Jahre hinaus. Hermann spürte Stolz in sich aufwallen. Ja, Ludwig, das war ein Kerl,
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