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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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der kam nach seinem Vater! Sei es, sollten die Bauern ein paar Tage auf ihre Höfe zurück und sich um die Ernte kümmern, das war das Beste.
    »Nun, wenn zwei meiner Kinder mich für ihre lieben Untertanen so herzlich bitten, dann muss ich wohl großzügig Erlaubnis geben.«
    Die Bauern brachen in erleichterte Hochrufe aus, was der Landgraf gar nicht mehr beachtete. Über die Schulter rief er ihnen noch zu: »Fünf Tage. Das muss reichen.« Dann war er im Eingang zur Hofstube verschwunden.
     
    »Danke, Bruder.« Elisabeth war erleichtert. Ohne Ludwig wäre ihre Bitte bestimmt abgewiesen worden.
    »Schon gut.« Ludwig schüttelte lächelnd den Kopf. »Aber das nächste Mal bist du gefälligst still, hörst du? Ich kann dich nicht jedes Mal vor einer Maulschelle retten.«
    Es stimmte schon, sie hatte sich schon öfters auf ähnliche Weise Ärger eingehandelt. Und dennoch. »Man muss aber doch den Armen beistehen«, meinte Elisabeth. »Das ist Christenpflicht, sagt Magister Berthold.«
    »Du und deine Armen.« Ludwig gab seiner Ziehschwester einen freundschaftlichen Knuff. Er mochte die Kleine gern, überhaupt kam er mit den Mädchen gut zurecht, was für einen Dreizehnjährigen gar nicht so selbstverständlich war. Anders als sein Bruder Hermann fühlte er sich wohl in der Rolle des Beschützers und ließ sich noch gern dazu verleiten, bei den Kinderspielen mitzumachen. Gutmütiger Kerl, der er war, hing er sehr an seinen jüngeren Geschwistern.
    In diesem Augenblick öffnete sich das Tor, und ein Reiter galoppierte in den Hof. Raimund von Kaulberg, der Sohn des Waffenmeisters. Sein schwarzer Streithengst hatte Schweif und Ohren gestellt, wuchtig donnerten die Hufe auf das Pflaster. Raimund trug leichte Kampfausrüstung: Ein festes Lederkoller, Reitstiefel bis zum Knie, Armschutz und Handschuhe. Sein Schwert hatte er an den Sattelknauf gehängt, den Schild über den Rücken geworfen. Wahrlich ein herrlicher Anblick war das; ein junger Ritter, wie man sich ihn stolzer und stattlicher nicht vorstellen konnte. Er sah aus, als sei er leibhaftig den Versen des Wolfram von Eschenbach entsprungen, als käme er geradewegs von König Artus’ sagenumwobenem Hof.
    Neben Ludwig zügelte er sein Pferd. »Hol dir später eine leichte Lanze aus der Waffenkammer, Junge«, rief er. »Wir wollen am Nachmittag einen Tjost versuchen!« Dann trabte er weiter zur Pferdetränke vor der Zisterne.
    Gisa beobachtete ihn, wie er behände absprang und einem Pferdeburschen die Zügel zuwarf. Solch ein edler, schöner Ritter! Das war einer, der mutig gegen Drachen kämpfte, der für Gott und seinen König stritt, der seiner Dame Ehre machte! Wie Lanzelot oder Parsival, Gawain oder Keye! Und sie, sie war in ihren Träumen die edle Königin Ginevra oder die holde Herrin vom See, in die sich jeder Ritter verliebte!
    Ritter Raimund ging derweil pfeifend an ihr vorbei zum Palas hinüber. Vom Tor her kamen ihm zwei Wäschemägde der Landgräfin mit großen Weidenkörben entgegen, die hellen Röcke wie Segel im Wind gebläht. Raimund machte eine übertriebene Verbeugung, worauf die beiden Mädchen rot anliefen und in albernes Gekicher ausbrachen. Ei, der junge Herr von Kaulberg beeindruckte nicht nur kleine Mädchen wie Gisa. Nein, er spukte in den Köpfen so mancher Hofjungfer herum, seit er mit seinem Vater wieder in Thüringen war. Ein Ritter, wie man ihn sich vollkommener nicht denken konnte, mit kampfgestähltem Körper, breiten Schultern, kräftigen Schenkeln. Das dunkle Haar fiel ihm in leichten Wellen bis auf die Schultern; er trug es länger als üblich, bei den Kampfübungen band er es im Nacken zusammen oder bändigte es mit einem ledernen Stirnriemen. Seine Bewegungen waren geschmeidig und sicher, und wenn er mit seinen Schülern oder mit seinem Vater focht, war es fast wie ein Tanz, voller Kraft und Anmut. Die Männer mochten seine geradlinige, ehrliche Art, und die Frauen erlagen seinem Werben reihenweise. Er musste sie nur ansehen mit seinen blitzenden braunen Augen und dem verschmitzten Lächeln, musste nur eine scherzhafte Bemerkung oder ein kleines Kompliment machen, und schon waren sie ihm verfallen. Unter den adeligen Töchtern am Hof galt er als begehrter Ehekandidat, auch wenn er als Sohn eines jüngeren Sohnes nicht begütert war, er aber flatterte lieber wie ein Schmetterling von Blüte zu Blüte, als sich auf eine Frau festzulegen. Bei keiner seiner Eroberungen blieb er lang, machte niemals Versprechungen.
    Niemals? O doch –

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