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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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über und über mit krätzigen Geschwüren bedeckt war. Sie hatte ihm das Haar geschnitten und seinen grindigen Kopf vom Schorf befreit, und jetzt wischte sie mit dem Saum ihres Kleides sein Gesicht sauber. Wie hatte sie es nur geschafft, ihn in die Burg hereinzuholen? Die Wachen hatten doch strengsten Befehl vom Vogt, niemanden von den Gabenheischern einzulassen! Da, jetzt nahm sie ihn in die Arme, wiegte ihn wie ein Kind, streichelte seine Wangen und lächelte dabei voller Glück und Hingabe. Ihre Augen strahlten. Ich verstand diese Frau nicht mehr.
    »Sie weiß also doch noch, wie’s geht.« Isentrud hob in einer Geste der Hilflosigkeit die Hände und sah mich traurig an. »Dort im Frauenzimmer braucht ein winzigkleines Ding ihre Liebe, und wem gibt sie sie? Stattdessen hält sie ein Schäferstündchen mit einem Krätzigen.«
    So wollte sie selig werden?
     
    Und es sollte noch schlimmer kommen. Eine Woche später, nach dem Mittagsmahl, beobachtete ich Elisabeth zufällig dabei, wie sie hinter einem Vorsprung der Ringmauer verschwand. Ich ging ihr nach, und da kniete sie im Gras, vornübergebeugt, und würgte ihr Essen wieder hervor. Immer wieder steckte sie sich den Finger in den Hals, bis nichts mehr in ihrem Magen war, was sie hätte erbrechen können.
    Jetzt war mir auch klar, warum sie immer noch so dünn und mager und hohlwangig war wie vorher, obwohl sie doch seit einigen Wochen mehr aß als wir alle zusammen. Ich entfernte mich leise, ging zurück zu Guda und Isentrud und erzählte ihnen, was ich gesehen hatte. Was sollten wir nur tun?
    Am Ende beschlossen wir, auf die Wartburg zurückzukehren. Dort würde Elisabeth wieder dem Speisegebot Konrads folgen können. Und sie würde wieder im Hospital arbeiten können und damit tun, wonach sie sich so offensichtlich sehnte.
    »Ich wünschte, Ludwig wäre nie fortgegangen«, sagte Guda.
    »Ich wünschte, dieses Scheusal wäre nie zu uns gekommen«, erwiderte Isentrud.
    Wie recht sie hatte! Nicht Elisabeth war schuld. Sie konnte nichts für ihren Zustand, für das, was mit ihr geschah. Es war nur der Prediger, dieser widerwärtige Höllenmensch. Er lenkte all ihr Gutes ins Böse um. Sein Ziel war es von Anfang an gewesen, sie zu brechen. Sie so lange zu demütigen, bis sie keinen eigenen Willen mehr hatte. Sie in eine bedingungslose Abhängigkeit zu treiben, bis zur völligen Selbstaufgabe. Ich schlug die Hände vors Gesicht. Längst war Elisabeth nicht mehr sie selbst. Konrad von Marburg würde sein Ziel erreichen – wenn es niemand verhinderte. Und der Einzige, der dazu die Macht hätte, war Ludwig. Tief bedrückt und voller Angst ging ich in die Kapelle und betete inbrünstig darum, dass er zurückkehren würde, bevor es zu spät war.

Brindisi und Otranto, August–September 1227
    A m Tag nach Mariä Himmelfahrt erreichten Kaiser Friedrich und der Landgraf mit ihrem Gefolge die Hafenstadt Brindisi. Sechzigtausend Kreuzfahrer, so hieß es später, lagerten hier und warteten auf ihre Einschiffung. Es stank bestialisch; schon nannte man das Heerlager von Brindisi die größte offene Latrine der Welt. Immer noch war die Hitze extrem; Millionen von Fliegen schwirrten über den Kloaken und brachten Krankheit und Tod. Das typhusartige Fieber, das schon in den vorhergehenden Wochen etliche Männer erfasst hatte, griff nun endgültig mit verderbenbringender Geschwindigkeit um sich und forderte täglich mehr Opfer. Bald lag der süßliche Geruch von Verwesung über dem Kreuzfahrerlager wie ein dichtes, übles Miasma. Und es sollte noch mindestens drei Wochen dauern, bis genügend Schiffe angelandet waren, um nach Outremer überzusetzen. Täglich fanden sich neue große Segler ein; in der Bucht von Brindisi sah man bald das Wasser nicht mehr vor lauter Booten. Sie entstammten den Flotten der italienischen Handelsstädte; die meisten von ihnen waren eine Mischung aus Handels- und Kriegsschiff, Dromonen genannt. Auf einer Länge von fast vierzig Metern hatten sie auf jeder Seite zwanzig Ruder in zwei oder drei Ruderreihen. Dazu kamen – und gerade von denen fehlten noch viele – riesige Handelsschiffe mit genug Laderaum für Vorräte, Waffen und Pferde.
     
    Der Kaiser, immer noch geschwächt vom Fieber, quartierte sich im größten und bequemsten Stadthaus ein, das zu finden war, und ließ nur noch wenige Diener um sich zu, um eine erneute Ansteckung zu vermeiden. Auch Ludwig und die anderen Fürsten bezogen Unterkünfte in der Stadt. Primus und sein Herr

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