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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Liebhaber, die Schuld, die er versucht hatte, vor Damiette zu begleichen. Ob ihm der Herrgott wirklich verziehen hatte? Nun, wenn nicht, so hatte er, Raimund, nun eine zweite Gelegenheit, seine Seele zu reinigen. Bald würde er das Heilige Grab endgültig befreien, angeführt vom obersten Heerführer der Christenheit.
    Friedrich hatte die Thüringer und auch Raimund schwer beeindruckt. Der Allmächtige hatte sein unansehnliches Äußeres mit einem messerscharfen Verstand ausgeglichen. Der Stauferkaiser war ein Stratege durch und durch, ein Machtmensch ohnegleichen. Seine Herrschaft war in den letzten Jahren ein einziges Ringen mit dem Papst gewesen, und natürlich ging es ihm beim Kreuzzug weniger um die Rückeroberung Jerusalems – er stand ohnehin in Verdacht, an gar nichts zu glauben –, sondern darum, in dem Spiel mit Gregor  IX . die Oberhand zu behalten. Er wollte die ganze politische Macht in Süditalien, genau wie der Papst. Und er wollte – über seinen jungen Sohn Heinrich oder ohne ihn – die ganze Macht im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. Und da galt es, mit allen Mitteln zu arbeiten. Es war ein ständiger Spagat, eine Frage, das eine aufzugeben, um das andere zu gewinnen. Einerseits gab er dem Willen des Papstes nach, wenn er nach Jerusalem zog, andererseits war ihm der Papst ewig verpflichtet, wenn er das Heilige Grab für die Christenheit zurückeroberte. Manchmal hatte Raimund das Gefühl, der Kaiser wolle gar keinen Krieg mit den Ungläubigen. Schließlich hatte er sich bis jetzt erfolgreich gedrückt. Und es hieß, er habe kürzlich einem Vertrauten erzählt, am liebsten würde er jetzt daheim in Palermo sitzen und an seinem Buch über die Beizjagd weiterschreiben. War das zu fassen? Wer außer einem Mönch konnte überhaupt schreiben? Und dann noch ein ganzes Buch? Wer sollte das überhaupt lesen? Dieser Friedrich war schon ein rätselhafter Mensch.
    Wenn man ihn so erlebte, hatte man ohnehin eher das Gefühl, einen Mauren vor sich zu haben. Er sprach mindestens so gut arabisch wie italienisch, sein Deutsch hatte einen stark eingefärbten welschen Akzent. Er kleidete sich in lockere Kaftane wie die Muselmanen, aß am liebsten orientalisch gewürzte Speisen und bevorzugte sarazenische Frauen. Dennoch hatte er erst vor zwei Jahren eine blässliche, hellhaarige Christin französischer Herkunft geheiratet: Isabella von Brienne, die gerade einmal dreizehnjährige Erbin des Königreichs Jerusalem. Die Ärmste war nur ein Steinchen im Spiel um die Rückeroberung des Heiligen Landes und, wie man hörte, entsetzlich unglücklich. Aber die Heirat mit ihr hatte es Friedrich ermöglicht, sich kurz darauf eigenmächtig zum König von Jerusalem krönen zu lassen. Nun gut, jeder im Adel suchte sich seine Frau nach machtpolitischen Gesichtspunkten. So hing Raimund seinen Gedanken nach, während er mechanisch den Schleifstein an der Klinge seines Schwertes entlangzog.
    »Herr, erzählt Ihr mir noch einmal von Eurer Zeit in Damietta?« Das war sein neuer Diener, Primus, der ihn mit seiner Wissbegier noch einmal unter die Erde bringen würde. Raimund schmunzelte. Der Junge hatte ihm in Rom Pferd und Waffen, wenn nicht gar das Leben gerettet, und er hatte ihn zum Dank in seine Dienste genommen. Ganz gegen alle Erwartungen hatte sich der Knabe als Glücksgriff erwiesen. Er lernte schnell, wurde sogar einigermaßen mit dem oft übellaunigen und schwierigen Brun fertig, seinem Streithengst. Er hatte eine gute Auffassungsgabe und eine gehörige Portion Mutterwitz, das gefiel Raimund. Der Kleine wurde ihm bald wie der Sohn, den er nie gehabt hatte. Er saugte auf, was Raimund erzählte, wurde nie müde, seine Geschichten zu hören. Und er war ehrgeizig, das spürte man. Dabei kam er aus niedrigsten und elendsten Verhältnissen, so wie es sich anhörte. Er sprach zwar selten von seiner Familie und Herkunft, aber Raimund war sehr schnell klar, dass der Junge ums Überleben hatte kämpfen müssen, seit er auf der Welt war.
    »Was willst du denn noch wissen?«, fragte er jetzt und legte Schwert und Schleifstein zur Seite.
    »Die arabischen Zahlen, Herr. Das hab ich noch nicht begriffen.«
    Raimund lachte. »Das haben noch ganz andere nicht begriffen, Primus. Also: Bisher wurden bei uns ja die Zahlen so geschrieben wie bei den Römern vor tausend Jahren. Damit war das Rechnen schwer. Die Araber haben da etwas viel einfacheres erfunden. Jede Zahl hat ein eigenes Zeichen, eine 1 , eine 2 , eine 3 und so

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