Die Tore des Himmels
gleich.«
»Rechtlich ist es möglich«, sagte Elisabeth. »Ich habe auch schon daran gedacht.« Müde rieb sie sich die vom vielen Weinen geröteten Augen. »Aber ich will ohne Konrad von Marburg nichts unternehmen, kann es auch gar nicht. Ich muss einfach abwarten, so schwer es mir fällt. Noch haben wir im Frauenzimmer genug Wertsachen, dass ich die Kosten des Hospitals eine Zeitlang tragen kann. Die Lebensmittel aus meinen Gütern reichen auch noch eine Weile. Und Meister Konrad ist schon verständigt, er wird sicherlich bald kommen. Dann sehen wir weiter.«
Die Zofen nickten. Konrad von Marburg würde kommen, und er würde eine Lösung wissen.
Primus
S eit der arme Landgraf gestorben ist, mache ich mir so meine Gedanken. Die Sache mit Ortwin kommt mir merkwürdig vor. Ich erinnere mich, dass ihm der Bruder des Landgrafen zu Schmalkalden Geld gegeben hat. Wofür wohl? Und dann war Ortwin in der Landgrafenkoje, kurz bevor sie Ludwig tot gefunden haben! Und danach hatte er dermaßen gute Laune, dass es kaum auszuhalten war. Das ganze Schiff hat getrauert, alle waren erschüttert, nur Ortwin hat Witze gerissen und sich’s wohl sein lassen. Es schien, als wäre er glücklich über den Tod des Landgrafen. Passt da was zusammen? Ein furchtbarer Verdacht beschleicht mich. Aber ich erzähle niemandem, was ich denke. Das wäre ja ungeheuerlich, unfassbar, unglaublich! Und was könnte ich schon beweisen? Außerdem, wer würde mir schon glauben? Schließlich bin ich ein Niemand, ein Mückenschiss vor Gottes Angesicht!
Jedenfalls kehrte unser Schiff nach Ludwigs Tod sofort um, und wir segelten nach Otranto zurück. Sie setzten den Landgrafen in einem einfachen steinernen Sarkophag bei, der Kaiser stand am Kopfende und hielt eine ergreifende Leichenrede. Danach ließ er verkünden, er sei über die Maßen erschüttert und fühle sich doch noch arg geschwächt vom Fieber. Darum wolle er sich auf Anraten seiner Ärzte erst in den Bädern von Pozzuoli erholen, bevor er ins Heilige Land reiste. Also segelten wir am Tag nach Ludwigs Beerdigung ohne ihn wieder ab. Mein Herr Raimund sprach das aus, was alle befürchteten: »Der Kaiser will sich nun doch noch vor dem Kreuzzug drücken!«
Und rat mal, wer auch nicht mehr auf dem Schiff ist: Ortwin und der kleine Schlotheimer. Sie haben beschlossen, nach Hause zurückzukehren. Vielleicht, weil Ortwin seinen Auftrag schon erfüllt hat? Ich bin jedenfalls froh, dass er nicht mehr bei uns ist. Einen richtigen Hass hab ich auf ihn. Und Angst vor ihm hab ich auch.
Jetzt endlich sind wir in Akko angekommen. Manche haben vor Glück den Boden geküsst, ich auch. Hatten wir doch allen Unbilden getrotzt! Wir waren übers Meer gesegelt, das die Weltenscheibe wie ein Gürtel umschließt, ohne an seinen Rändern abzustürzen. Wir hatten keine mörderischen Seeschlangen oder andere Ungeheuer getroffen, keine gefährlichen Meerfrauen, die die Männer ins Unglück locken. Auch der Magnetberg hatte uns nichts anhaben können, der irgendwo weit im Meer wie eine schwarze Insel aus den Fluten ragt und mit seiner geheimnisvollen Kraft alle Schiffe anzieht, die in seine Nähe kommen. Die zerschellen dann; der ganze Berg ist von einer Unzahl toter Schiffsleiber umgeben. Die Besatzung ertrinkt jämmerlich oder rettet sich ans öde Land, um dort zu verderben. Ja, all das konnten wir mit Gottes Hilfe vermeiden, und jetzt haben wir unseren Fuß auf heilige Erde gesetzt, um Jerusalem zu befreien!
Akko ist eine Stadt, wie ich sie kaum beschreiben kann! »Die Hauptstadt des Königreichs Jerusalem«, erklärt mir mein Herr Raimund, »seit Jerusalem selbst wieder in die Hände der Muselmanen gefallen ist.«
»Wie kommt das alles, Herr?«, frage ich. »Die Kreuzzüge, meine ich. Warum sind wir hier?«
»Nun, vor über hundert Jahren rief als erstes Papst Urban zum Krieg gegen die Ungläubigen auf, die die heiligen Stätten der Christenheit besetzt hielten. Daraufhin zogen Zehntausende unter Entbehrungen ins Heilige Land und erkämpften die Freiheit Jerusalems. Dabei muss man gestehen, dass sie nach der Eroberung der Stadt ein ungeheures Blutbad unter den Bewohnern anrichteten, das war schändlich und unehrenhaft. Ein Franzose wurde dann zum ersten König von Jerusalem. Es gründeten sich die glorreichen und berühmten Ritterorden: die Templer, die Hospitaliter, der Deutsche Orden. Und die Ritter errichteten reiche Fürstentümer, bauten Städte und Burgen, beherrschten ganz Palästina.«
»Aber die
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