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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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hin, zupfte das Laken zurecht. Dann verließ er die Mordstatt.
     
    Primus war aufgewacht, weil er pinkeln musste. Er rappelte sich hoch, stieg und stolperte über Leiber, Arme und Beine, um die Reling zu erreichen. Es war ein längerer Hindernislauf, denn er schlief in der Mitte des Schiffes, ziemlich weit hinten beim Heck, wo die Ritter lagen. Ratz folgte ihm, froh über die nächtliche Abwechslung. An der hölzernen Reling hingen in regelmäßigen Abständen Pisspötte, deren Inhalt man gleich nach dem Benutzen ins Meer schütten konnte. Primus schnappte sich den nächstbesten und erleichterte sich. Dann lehnte er sich an und betrachtete den Sternenhimmel. Lauter kleine Lämpchen, die am Firmament hingen, so wie der Mond auch, dessen Sichel genau über dem Hauptmast stand. Ob man die Anzahl der Sterne wohl in arabischen Zahlen ausdrücken konnte? Wie viele Nullen das wohl geben würde? Morgen würde er seinen Herrn fragen, der bei den Fürstenkojen am Heck schlief, um in der Nähe des Landgrafen zu sein. Hoffentlich verbrachte Ludwig eine ruhige Nacht. Einem Impuls folgend ging Primus ein Stück an der Reling entlang. Er wollte nur kurz an der Tür horchen, ob Ludwig auch gut schlief. Und dann sah er, wie die Tür der Landgrafenkoje aufging und eine Gestalt herauskam. Einer der Ärzte, vermutlich. Aber nein, ein Arzt würde nicht so merkwürdig schleichen, und außerdem trug er normalerweise ein langes Gewand. Die Gestalt bewegte sich geschmeidig in Richtung Heckmast. Primus kniff die Augen zusammen. An der Leiter, die zum Dachaufbau der Fürstenkojen hinaufführte, wo die edlen Herren speisten, hing eine Laterne. Und in ihrem fahlen Licht erkannte Primus, wer da aus der Landgrafenkammer gekommen war: Ortwin.
    Er wurde so zornig, dass er nach Luft schnappen musste. Da lag der Landgraf schwer krank, und Ortwin nutzte die Gelegenheit, um zu klauen! Widerlich. Aber es würde wohl wenig Sinn haben, ihn zur Rede zu stellen. Ortwin war so viel stärker als er, er würde ihn bestenfalls auslachen.
     
    Eine Stunde später entdeckte der landgräfliche Leibarzt Ludwig tot auf seinem Lager. Man schrieb den elften September des Jahres 1227 .

Wartburg, Oktober 1227
    D er Bote beeilte sich nicht, als er durch das Nikolaitor in Eisenach einritt. Er freute sich weiß Gott nicht darauf, seine Nachricht zu überbringen. Am Beginn des steilen Wegs zur Wartburg hinauf war er einem der Eselsführer begegnet; der hatte ihm erzählt, der Bruder des Landgrafen sei gerade beim Schultheiß, um die Rechnungslegung zu hören. Also lenkte der Bote nun sein müdes Ross zum Rathaus, stieg steifbeinig ab und band das Tier an das Pferdegeländer beim Sauftrog. Dann betrat er den Vorraum im Erdgeschoss und ließ sich melden. Er brächte eine Botschaft über Leben und Tod, erklärte er.
     
    Eine Stunde später ritten Heinrich Raspe und die alte Landgräfin Sophia, die man eilends aus dem Kloster geholt hatte, in den Burghof. Mit versteinerten Gesichtern betraten sie den Palas, wo Heinrich sofort in der Ritterstube verschwand, während Sophia ihre Schritte Richtung Frauenkemenate lenkte. Ihr Gang war gebeugt, und das war nicht dem Alter geschuldet, denn sonst hielt sie sich aufrecht, und ihr Rücken war immer noch kerzengerade. Wie viel hatte sie schon ertragen müssen? Den furchtbaren Tod ihres Mannes, den ihres ältesten Sohnes, und jetzt? Der Herr prüft mich wie Hiob, dachte sie, der Wille des Herrn sei gelobt. Vor dem Eingang zum Frauenzimmer döste auf einem Hocker ein junger Türsteher, der bei ihrem Anblick erschrocken aufsprang. »Bitte die Landgräfin Elisabeth, mich zu empfangen«, sagte sie mit belegter Stimme und zupfte ihren Schleier zurecht. Dann trat sie in die Empfangsstube.
    Elisabeths Lächeln gefror, als sie Sophias Gesicht sah. Etwas in ihrer Brust krampfte sich zusammen. »Mutter«, sagte sie, »Mutter, was ist Euch?«
    »Ich bringe Nachricht darüber, was deinem Gemahl widerfahren ist«, sagte Sophia und kam zwei Schritte näher.
    Der Knoten in Elisabeths Brust zog sich fester. Aber Gott liebte sie doch, es konnte nicht das Schlimmste sein! Nein, bestimmt nicht. »Ist er gefangen?«, fragte sie. Ein kleines Lachen entfloh ihrer Kehle, das ihr selber Mut machen sollte. »Ei, wir haben einflussreiche Freunde, die werden ihn wohl bald auslösen, oder? Wir wollen auch Boten nach Ungarn zu meinem Vater senden, der könnte zum Lösegeld beisteuern, nicht wahr? Nicht wahr, Mutter?« Flehend sah sie Sophia an, hob beschwörend die

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