Die Tore des Himmels
Brief an Konrad von Marburg mit der Bitte, nach Thüringen zu kommen. Und sie begann, sich wieder um die Menschen im Hospital zu kümmern.
»Ich bin so froh, dass es dir wieder bessergeht«, sagte Gislind am Tag vor Allerheiligen zu ihr. »Wir haben schon gefürchtet, du wolltest deinem Ludwig nachsterben.«
Elisabeth schüttelte mit einem traurigen Lächeln den Kopf. »Das kann ich nicht. Noch nicht. Ich habe noch eine Aufgabe zu erfüllen, Gislind. Das ist mir neulich Nacht klargeworden.«
In diesem Augenblick schraken sie hoch. Heinrich Raspe war lautlos ins Zimmer getreten; der Türsteher hatte ihn nicht angekündigt. Jetzt stand er breitbeinig vor Elisabeth, die Hände in die Hüften gestützt.
»Du hast dich wieder einmal nicht melden lassen, Schwager«, bemerkte Elisabeth mit gerunzelter Stirn. »Deine schlechten Gewohnheiten werden nicht besser.«
Heinrich grinste. »In meiner eigenen Hofhaltung ist das auch nicht nötig, meine Liebe«, entgegnete er.
»Du meinst die Hofhaltung meines Sohnes«, gab Elisabeth zurück.
»Dessen Vormund ich als nächster männlicher Verwandter bin.« Heinrich nahm sich eine kandierte Kirsche vom Beistelltisch, kaute sie und spuckte dann den Kern auf den Boden. »Du solltest also besser nicht mit mir streiten, Elisabeth. Sei lieber froh, dass ich dir erlaube, hier auf der Wartburg zu bleiben, anstatt dich ins Hinterland auf irgendeinen Witwensitz zu schicken.«
Elisabeth stand auf. »Ich bin die Mutter des kleinen Landgrafen«, erwiderte sie mit fester Stimme. »Mir gebührt auch von deiner Seite die nötige Achtung, Heinrich, nicht zuletzt als Witwe deines Bruders.«
»Nun gut.« Heinrich Raspe nickte knapp. »Die sollst du bekommen, Elisabeth. Natürlich bist du weiterhin im fürstlichen Haushalt aufgenommen und du speist an meiner Tafel. Du erhältst genügend Mittel für Kleidung und Unterhalt. Es wird dir an nichts fehlen. Du lebst von nun an in der Gemeinschaft unserer Familie. Das dürfte dir wohl genügen.«
Sie fuhr hoch. »Das ist nicht rechtens! Die Verwaltung meiner Eigengüter und das, was sie hergeben, steht mir zu. Ebenso mein Brautschatz.«
Er lächelte. »Wenn du etwas brauchst, kannst du jederzeit zu mir kommen. Ich werde dir dann geben, was nötig ist.«
»Du weißt genau, ich will nichts für mich. Es geht mir um die Armen und das Hospital.« Elisabeth zog den kleinen Hermann an sich. »Bedenke, dass du nur als Vormund meines Sohnes handelst!«
»Und das für die nächsten dreizehn Jahre, meine Liebe.« Heinrich Raspe konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. »So lange biete ich dir ein standesgemäßes Leben bei Hof. Wenn du annimmst, werden wir gut miteinander auskommen.«
»Und wenn nicht?«
Er zuckte die Schultern. »Dann steht dir ein Kloster deiner Wahl frei.« Er wandte sich mit süßer Stimme an den kleinen Hermann, der den Streit wohl verfolgt, aber nur wenig davon verstanden hatte. »Komm, Kleiner. Die Ritter sind versammelt, sie wollen dich sehen. Du musst dich als ein tapferer Junge vor den Männern zeigen.«
Hermann sah unsicher zu seiner Mutter auf. Elisabeth nickte. »Geh mit Onkel Heinrich«, sagte sie. »Es ist gut.«
»Das kann er nicht machen!« Isentrud war so wütend, dass sie eines von Hermanns Holztierchen zu Boden warf. »Als Frau eines Kreuzritters stehst du unter Schutz und Schirm des Papstes! Was glaubt Heinrich, wer er ist?«
Elisabeth ließ sich auf einen Sessel sinken. »Er weiß genau, was er tut. Der Schutz des Papstes erlischt mit dem Tod des Kreuzfahrers. Und Konrad von Marburg, der als mein Vormund meine Rechte wahren könnte, ist irgendwo im Reich unterwegs. Ich kann mich nicht wehren, jedenfalls jetzt nicht.«
»Willst du denn ins Kloster?«, fragte Guda.
»Nein.« Elisabeth ballte die Faust. »Das wäre das Letzte, was ich tue.«
»Dann willst du also nachgeben? Deine Speiseregeln brechen? Kein Geld mehr für dein Hospital aufwenden?« Gisa war ebenso wütend wie Isentrud. »Verlang doch die Abschichtung!«
»Was meinst du?« Guda sah Gisa fragend an.
»Eine Witwe kann von der Familie ihres Mannes verlangen, alle Witwengüter für die Zeit ihres Lebens als Eigenbesitz zu übernehmen. Sie scheidet damit aus der Familie aus und ist für sich selbst verantwortlich. Und nach ihrem Tod fällt alles wieder an die Familie zurück«, erklärte Gisa.
Isentrud schüttelte den Kopf. »Ich hab noch nie gehört, dass eine Witwe das gefordert hätte. Es käme einem offenen Erbschaftsstreit
Weitere Kostenlose Bücher