Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)
gegenüber, dann wird die eine die andere vernichten. Du kannst das nicht ändern. So funktioniert es eben.
Dein Leben ist nur noch bedeutungsloser geworden, als du ausschließlich sie in seinen Mittelpunkt gestellt hast, grollte Gariath. Du verdienst es zu sterben.
»Ich verdiene es ...«
»Selbstmitleid ist ebenfalls eine ...« Die Stimme verstummte schlagartig. Dann sagte sie mit kalter Wut: »Was tust du da? «
»Ich verdiene es.«
Lenk nahm die Feder, seine letzte Handlung, bevor er sich mit erstaunlicher Leichtigkeit von seinem Leben verabschiedete. Er drehte sich herum, um aufs Meer zu blicken, während er die weiße Feder an sich drückte. Dann begannen seine Füße sich mechanisch und willenlos zu bewegen, während er auf den gierigen, schäumenden Ozean zuging.
»Was tust du da ?« Die Frage der Stimme konnte die Betäubung seines Körpers nicht durchdringen. Sie musste, wie auch immer, gesehen haben, wie das Ufer näher kam. »Halt! Das ist nicht unser Zweck! «
»Du hattest recht.« Ein Lächeln spielte auf Lenks Lippen. »Sie ist tot. Sie alle sind tot. Aber wir werden wieder zusammen sein. Gefährten für immer.«
»Hör mir zu. HÖR ZU! Irgendetwas stimmt hier nicht .«
»Es ist vorbei.« Der junge Mann schüttelte den Kopf. »Ich schaffe das nicht mehr. Nicht ohne sie. Nicht ohne sie.«
»Ein solches Opfer ist nicht nobel, wenn es alles andere vereitelt. Wir haben noch viel zu tun. Was ist mit unserem Zweck? Was ist mit Vergeltung ?«
Keine Worte mehr. Kein Streit mehr, mit keinem von ihnen. Seine Willenskraft schien aus ihm herauszusickern wie der Eiter aus seinem Bein. Hoffnung konnte ihn nicht länger aufrecht
halten. Vergeblichkeit konnte ihn nicht länger antreiben. Die Aufgabe, das Versprechen eines Endes von Blut und Schmerz, trieb ihn unausweichlich vorwärts ins Meer.
»Widersetze dich!«, befahl die Stimme. »Kämpfe. Wir sind stärker.«
Keine Worte mehr. Die Wellen stiegen an, ihm entgegen. Er würde nicht mehr aufhören zu gehen, bis seine Lungen vom Salzwasser platzten und hungrige Fische das Fleisch von seinen Knochen nagten.
»Du wirst hier nicht sterben«, stieß die Stimme kalt und gebieterisch hervor. »Das ist nicht deine Bestimmung.«
Keine Worte mehr.
Er spürte plötzlich eine überwältigende Kälte, und sein Fieber verließ ihn in einem frostigen Atemzug. Seine Beine blieben stehen; eisiges Wasser strömte durch seine Adern und zog ihn zu Boden.
»Das werde ich nicht zulassen.«
Lenk war ganz kurz vor seiner Erlösung, streckte seine zitternde Hand aus und griff in den Sand, zog sich in die süße blaue Freiheit. Freiheit von Miron, von Grünhaar, Freiheit von jedem und allem, was ihn hatte glauben lassen, sie wäre wegen Leder und Papier gestorben.
»Warum ...?« Die Tränen auf seinem Gesicht fühlten sich wie Eis an, während sein Körper zitterte und er zusammenbrach. »Ich schaffe das nicht. Lass mich einfach sterben... ich will ...«
»Es spielt keine Rolle, was du willst«, antwortete die Stimme ohne eine Spur von Mitleid. »Alles, was zählt, ist das, was du tun musst.«
Das Pochen in seinem Kopf nahm ab, sodass er wieder hören konnte. Er vernahm das Geräusch von Schritten, die über den Sand gingen, von fremden Stimmen jenseits des sandigen Kamms. Es waren fremde Stimmen, aber dennoch vertraut.
»Hake-yo! Man-eh komah owah!«
»Und was du tun musst, ist... dich zu verstecken.«
»Aber ich ...«
»Du hast nicht das Recht, diese Entscheidung zu treffen.«
Er spürte weder den Sand unter seinen Füßen, noch dass er seinen Rücken beugte, als er das Schwert aufhob. Er bemerkte es kaum; sein ganzer Wille, alle Kraft, die nicht aus ihm herausgesickert war, konzentrierte sich in seinen Fingern, mit denen er verzweifelt die Feder festhielt. Er nahm nicht einmal wahr, dass er hinter die Sanddüne ging, bis er sie erreicht hatte und sein gefühlloser Körper zu Boden sank, als die Kraft, die seine Beine bewegt hatte, sie plötzlich freigab.
Kaum hatte er sich bäuchlings in den Sand geworfen, als der erste grüne Schädel hinter dem gegenüberliegenden Hügel auftauchte. Zwei große gelbe Augen ließen ihren Blick über das Schiffswrack gleiten. Ein zufriedenes Schnauben drang aus einer langen grünen Schnauze. Zwei lange, mit Klauen bewehrte Füße glitten durch den Sand die Hügel herab, und ihre Spuren wurden von dem langen Schwanz verwischt, den die Kreatur hinter sich herzog.
Dass sie seine Gegenwart nicht bemerkte, lag mehr an ihrer
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