Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)
seiner Sohle.
»Der Gestank ist schwer zu ignorieren.« Seine Nüstern zitterten, und er zog die Lippen zurück, als er den Geruch registrierte. »Die Bäume versuchen, ihn zu überdecken, aber überall auf dieser Insel herrscht dieser Leichengeruch. Meistens sind es Knochen, aber auch noch eine Vielzahl anderer stinkender Dinge ...«
»Es gibt auch Leben, Weisester. Bäume, etliche Tiere, Wasser ...«
»Da ist irgendetwas, das stimmt. Ich rieche es jetzt seit Stunden.« Gariath holte tief Luft und blickte über die Schulter. »Zertrümmerte Felsen, ausgetrocknete Flüsse, tote Blätter und Dämmerung.«
»Es war so viel da, vorher ... so viel«, flüsterte der Geist. »Ich habe es überall gehört. Und jetzt ... nur Tod?« Er wirkte verwirrt, zerstreut. »Aber warum so viel?«
»Es hätte noch mehr gegeben«, grollte Gariath. »Guter Tod.
Aber jemand hat mich ja davon abgehalten, die Spitzohrige zu erledigen.«
»War ich das oder die Kakerlake, die sie dir in die Nase gesteckt hat?« Der Ältere lachte leise. »Wenn das bedeutet, dass es einen Leichnam weniger auf dieser Insel gibt, habe ich nichts dagegen einzuwenden.«
»Du warst derjenige, der mir gesagt hat, dass sie Lenk töten würde!«, fauchte Gariath. »Falls sie es nicht schon getan hat, plant sie es immer noch.«
»Und wenn sie mittlerweile erfolgreich war? Was dann?«
»Du bist der Ältere. Du solltest es wissen!«
»Meine Frage bleibt dennoch bestehen«, antwortete der andere. »Was glaubst du, wird passieren, wenn du die Menschen findest? Hast du darauf auch nur einen Gedanken verschwendet?«
»Indem ich ihm bis hierher gefolgt bin, habe ich Grahta gefunden, und ich habe dich gefunden. Das ist zumindest ein Anfang.«
»Aber wo ist das Ende? Willst du dein ganzes Leben lang Geistern hinterherjagen, Weisester?«
Gariath hob den Kopf und betrachtete den Älteren mit einem harten Blick. »Was willst du mir sagen, Großvater?«
Als er blinzelte, war der Ältere verschwunden. Er drehte sich um und sah ihn auf dem Rand der Schlucht stehen, von wo aus er auf den Fluss hinabsah.
»Du sollst wissen, Weisester«, flüsterte er, »dass das, was du findest, möglicherweise nicht das ist, wonach du gesucht hast.«
Gariath hob eine Augenwulst, als die Gestalt des Älteren zu zittern begann. Die Sonne schien ein wenig heller durch seinen Körper zu scheinen, als würden sich goldene Zähne in sein gespenstisches Fleisch graben und seine Substanz verzehren, Stück um Stück.
»So viel wurde hier verloren, Weisester. Manchmal frage ich mich, ob man wirklich irgendetwas finden kann. Aber der Geruch... seit du es erwähnt hast ...«
Zögernd näherte sich Gariath dem Älteren. »Großvater?«
»Dieser Ort ist nicht gegraben worden«, sagte er. »Jedenfalls nicht von den Händen der Natur.«
»Wie bitte?«
»Damals gab es weit mehr Leiden«, antwortete der Ältere. Seine Stimme war nur mehr ein Hauch, als sein Körper kurz verblasste und dann im Fluss wieder auftauchte. »Ein schneller Tod war die einzige Gnade, und zudem eine eher seltene. Weit mehr sind qualvoll gestorben ... sehr viel mehr.«
»Wann damals?«
»Wir wollten nicht daran teilhaben«, fuhr der Geist fort, ohne auf seinen Begleiter zu achten. »Aber vielleicht ist es den Rhega bestimmt, genauso zu sterben... nicht durch unsere eigenen Hände, unsere eigenen Kämpfe. Wofür kämpfen wir überhaupt? Ich kann mich nicht mehr erinnern ...«
Gariath blieb stehen und sah zu, wie der Ältere durch den Fluss ging und bei jedem Schritt transparenter wurde. Nach jedem Blinzeln des Drachenmannes war er mehr und mehr verblasst, schien ein Stück von sich selbst in jedem Sonnenstrahl aufzugeben, wenn er hineintrat und wieder hinausging.
Gariath war versucht, ihn ziehen zu lassen, ihn einfach gehen zu lassen, bis nichts mehr von ihm übrig war, nichts Schweres, das er hätte fallen lassen können, nichts mit genug Substanz, das schmerzen konnte.
Er sah dem Älteren nach, beobachtete, wie er verschwand, ließ ihn durch das Flussbett gehen...
Wieder allein.
»Großvater!«, schrie er plötzlich.
Der Umriss blieb dicht vor einem Sonnenstrahl stehen. Alles, was von ihm übrig war, war ein schwarzes Auge, dessen Blick sich jetzt auf Gariath richtete. Der jüngere Drachenmann näherte sich ihm vorsichtig, mit gesenktem Kopf, prüfend, mit aufgeklappten Ohrlappen, misstrauisch.
»Großvater ...«, Gariaths Stimme klang kaum lauter als ein Flüstern, »wie lange bist du schon
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