Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)
sich und stolperte taumelnd. »Ich muss.«
»Warum?«
»Weil ich nicht anders kann.«
Ein toter Mann, der nur noch nicht wusste, dass er tot war. Er stand auf und klemmte sein zerbrochenes Handgelenk unter seinen gesunden Arm. Dann drehte er sich zu Xhai herum, die ihn enttäuscht und mürrisch anblickte, als hätte sie gehofft, dass er etwas anderes tun würde.
»Bleib stehen«, befahl Xhai.
»Ich kann nicht«, antwortete er und humpelte schlurfend auf sie zu.
»So soll es nicht enden. Du kannst nicht für sie sterben.«
»Für mich sterben kann ich auch nicht.«
»Du solltest für mich sterben«, erklärte Xhai. »Du solltest bei dem Versuch sterben, mich zu töten. Das tun wir. Wir töten, bis wir getötet werden.«
»Das gilt nicht für mich. Ich habe schon immer für sie sterben sollen.«
»Für sie.«
»Ja.«
Ihr zerstörtes Gesicht zuckte kurz, als versuchte es sich daran zu erinnern, wie es eigentlich aussehen sollte. Aber es hatte vergessen, wie es sich finster verzerren musste. Trotz ihres zerrissenen Mundes, ihrer zerbrochenen Zähne, trotz des Blutes, das ihre purpurne Haut färbte, und trotz ihres zerstörten Arms sah Semnein Xhai, Carnassia und Schlächterin, gekränkt aus.
Denaos ging taumelnd auf sie zu. Sie schlug ihn zu Boden, und er erhob sich nicht mehr. Es war kein Funken Begeisterung in ihr, als sie den Stiefel hob und ihn zwischen seine Schulterblätter pflanzte.
Er machte sich nicht die Mühe zu schreien. Er kämpfte nicht dagegen an. Seine Maske lag irgendwo anders, zwischen einer Pfütze seines Blutes und dem toten Sikkhun. Was jetzt Asper anstarrte, als er am Boden lag, war er, war Denaos selbst.
Ein Mann. Gebrochen. Dessen Mund sich nur verzerren konnte, um ein Wort zu formulieren, das er liebend gern laut ausgesprochen hätte, wenn er noch genug Luft gehabt hätte.
Verzeih.
Asper stand auf. Aber nur ein winziger Teil in ihr war noch sie selbst. Sie empfand nur ein schwaches Verlangen, sich trotz der Qualen, die es sie kostete, aufzurichten und zu ihm zu gehen. Der Rest von ihr, der sie auf die Füße zwang, der sie vorantrieb, kam von irgendwo anders her. Er kam von dieser papiernen Kreatur dort auf den Trümmern. Er kam von diesem Ding in ihr, das diese Kreatur erkannte. Von dem Ding, das sich an Xhai erinnerte.
Von dem Ding, das sie wiedersehen wollte.
Sie hob ihren linken Arm. Xhai blickte erst hoch, als Aspers Finger an der Kehle der Carnassia lagen. Nicht um sie zu würgen, um ihr Schaden zuzufügen, sondern nur, um sie zu berühren. Das Ding in ihr erinnerte sich an diese Haut, an die Kraft darunter. Xhai spürte es auch. Xhai erinnerte sich ebenfalls. Xhai blickte hoch.
»Nein«, flüsterte sie, als sie Asper ansah. » Nein.«
Verzeih.
Asper tat so, als würde sie das sagen. Ihre Stimme brannte. Ihr Arm lebte. Höllisches Licht loderte aus ihrer Handfläche, glitt über ihre Haut und ließ ihre Knochen schwarz hervortreten. Es zuckte ihren Arm hinauf, zu ihrer Schulter, zerriss Tuch und Haut und entblößte das schwarze Skelett darunter.
Ihr Griff bedeutete den Tod. Xhai hob den Arm, um sie wegzustoßen. Doch ihre Faust bog sich zurück, ihr Arm brach, faltete sich halb zusammen, und die Finger bogen sich nach hinten, bis ihre Spitzen die Härchen auf ihrem Handrücken berührten. Sie biss die Kiefer so fest zusammen, dass die spitzen Reste ihrer Zähne ihr Zahnfleisch durchbohrten.
»Nein! Nicht schon wieder!«
Verzeih.
Sie sagte es nicht wirklich. Das Ding in ihr streckte sich, sprang in Xhais Körper. Sie konnte es deutlicher spüren als je zuvor. Es suchte. Es bohrte Löcher in die Carnassia. Aber es suchte nach etwas anderem.
Es hatte eine Stimme.
Wo ist es, wo sind sie, wo ist der Rest von ihnen, was sind das für Knochen, oh, sie brechen so leicht, was ist das für eine Haut, warum zerreißt sie, was ist das für ein Arm, ein Bein, eine Rippe, sie alle brechen, und es gibt nichts mehr in ihr außer Knochen und Blut, und ich brauche mehr, und ich finde es niemals, und ich kann niemanden finden wie mich, und wo ist er, ich habe gehört, wie er herauskam, ich habe ihn schreien hören, ich dachte, er wäre dort, in diesen Leuten, in dieser Kreatur, in diesem Mädchen, in Taire, ich erinnere mich an Taire, ich höre Taire, aber er war nicht da, ich brauche sie, ich muss mit ihnen reden, ich muss sie sehen, lass mich raus, lass mich raus, lass mich …
» RETTE MICH …!«
Xhai lebte noch, Xhai faltete sich zusammen, Xhai zerbrach. Und sie
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