Die Tote im Götakanal
Gespräch brach ab.
Als sie im Polizeigebäude ankamen, ging jeder in sein Büro.
Der Stadsfiskal rief den Landsfogd in Linköping an.
»Wir müssen abwarten«, sagte der Landsfogd.
Der Kommissar besprach sich kurz mit Ahlberg.
»Als erstes muß festgestellt werden, wer sie ist.«
Ahlberg nickte, ging in sein Zimmer, rief die Feuerwehr an und bat um zwei Froschmänner. Dann las er ein Protokoll über einen Einbruch im Hafen durch. Die Sache würde bald aufgeklärt sein. Ahlberg stand auf und ging zum Diensthabenden hin- über.
»Ist bei uns jemand als verschwunden gemeldet?«
»Nicht daß ich wüßte.«
»Irgendeine Suchanzeige?«
»Keine, die zu dieser Person paßt.«
Ahlberg ging zurück in sein Zimmer und wartete.
Nach einer Viertelstunde klingelte das Telefon.
»Wir müssen die Obduktion beantragen«, sagte der Arzt.
»Ist sie erwürgt worden?«
»Sieht so aus.«
»Vergewaltigt?«
»Ich glaube schon.« Der Arzt machte eine kurze Pause und fügte dann hinzu: »Und zwar ziemlich brutal.«
Ahlberg kaute auf dem Nagel seines Zeigefingers herum. Er dachte an seinen Urlaub, der Freitag beginnen sollte, und daran, was seine Frau wohl sagen würde.
Der Arzt mißdeutete sein Schweigen. »Wundert Sie das?«
»Nein«, entgegnete Ahlberg. Er legte den Hörer auf und ging zu Larsson hinüber. Gemeinsam gingen sie dann zum Stadsfiskal.
Zehn Minuten später beantragte der Stadsfiskal bei der Bezirksverwaltung die gerichtsmedizinische Untersuchung. Der Antrag wurde an das staatliche Institut für Gerichtsmedizin weitergeleitet.
Obduzent war ein siebzigjähriger Professor. Er kam mit dem Nachtzug von Stockhohn und wirkte frisch und vergnügt und machte sich sofort an die Arbeit. Die Obduktion dauerte beinahe acht Stunden.
Danach gab er ein vorläufiges Gutachten folgenden Wortlauts ab:
Tod durch Erwürgen in Zusammenhang mit brutalem sexuellen Mißbrauch. Schwere innere Blutungen.
Auf Ahlbergs Schreibtisch begannen sich die Vernehmungsprotokolle und Berichte zu häufen. Die Fakten, die man bisher zusammengetragen hatte, waren spärlich: Man hatte eine tote Frau im Schleusenbecken in Borenshult gefunden. In der Stadt oder den umliegenden Bezirken war niemand als verschwunden gemeldet. Keine der vorliegenden Suchanzeigen paßte auf die Person.
3
Die Uhr zeigte Viertel nach fünf; es regnete. Martin Beck putzte sich lange und sorgfältig die Zähne, um den schalen Geschmack im Mund loszuwerden.
Und es schien so, als ob es ihm glücken würde.
Dann knöpfte er den Kragen zu und knotete den Schlips. Lustlos blickte er auf sein Gesicht im Spiegel, zuckte die Schultern und ging hinaus auf die Diele. Ging weiter durch das Wohnzimmer, sah sehnsüchtig auf das halbfertige Modell des Schulschiffs Danmark, an dem er am Abend vorher viel zu lange gebastelt hatte, und trat in die Küche.
Die ganze Zeit bewegte er sich vorsichtig und lautlos, teils aus alter Gewohnheit, teils um die Kinder nicht zu wecken.
Er setzte sich an den Küchentisch. »Ist die Zeitung noch nicht da?« fragte er.
»Die kommt erst gegen sechs«, erwiderte seine Frau.
Es war schon hell draußen, aber der Himmel war bezogen. In der Küche herrschte ein graues Halb-dunkel, weil seine Frau das Licht nicht angedreht hatte. Sie nannte das sparen.
Der Mann öffnete den Mund, aber er schloß ihn gleich wieder, ohne etwas zu sagen. Es würde doch wieder zu scharfen Worten kommen, und dafür war jetzt der falsche Moment. Statt dessen trommelte er vorsichtig mit den Fingern auf die Resopalplatte und blickte auf die leere Tasse mit dem blauen Rosenmuster. Sie war am Rand etwas abgesprungen und hatte einen braunen Riß von der Kante herunter.
Die Tasse hatte ihre ganze Ehe miterlebt; mehr als zehn Jahre. Seine Frau schlug selten etwas entzwei, jedenfalls nicht so, daß es Scherben gab. Es war komisch, daß die Kinder das von ihr geerbt zu haben schienen. Konnten solche Eigenschaften vererbt werden? Er wußte es nicht.
Sie nahm den Kaffeekessel vom Herd und goß ein. Er hörte mit dem Trommeln auf. »Willst du nicht ein Smörgas haben?« fragte sie.
Er trank vorsichtig und in kleinen Schlucken und hockte ziemlich krumm an der Tischkante.
»Du solltest wirklich etwas essen«, begann sie wieder.
»Du weißt, daß ich morgens nichts essen kann.«
»Es wäre aber besser für dich, bei deinem empfindlichen Magen.«
Er strich sich mit den Fingerspitze n über die Wange und spürte einige vergessene Bartstoppeln, ziemlich klein und scharf. Er trank
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