Die Tote im Götakanal
Kanals ein baumbestandener Fußweg, weiter zurück ein paar grasende Pferde auf einer Koppel hinter einem Gatter. Auf dem Fußweg näherte sich eine Gruppe Menschen.
Ahlberg kam dem Landsfogd zuvor. »Das ist westlich des Roxensees. Das Schiff hat jetzt die Schleusen von Berg passiert. Hier pflegen die Passagiere oft auszusteigen und bis Ljungsbro vorauszugehen.
Da haben wir die letzten Schleusen vor denen in Borensberg. Es ist etwa sieben Uhr abends.«
Die Leute auf dem Fußsteig kamen näher, und hinten in der Kurve tauchte der weiße Bug mit der Stadtflagge von Göteborg auf.
»Gott sei Dank«, sagte Ahlberg.
Nur Marti n Beck wußte, was er meinte. Der Mann mit der Kamera hatte eine Alternative gehabt; er hätte den Schleusenaufenthalt zu einer Führung durch die Klosterkirche in Vreta nutzen können.
Jetzt war das Boot wieder ganz zu sehen, langsam beschleunigte es seine Fahrt auf dem Kanal unter einer trägen grauweißen Rauchfahne, die das schräge Abendlicht reflektierte.
Aber niemand im Vorführungsraum interessierte sich für die näher kommende Diana. Die auseinandergezogene Gruppe der Passagiere auf dem Pfad war jetzt so nahe gekommen, daß man schon Einzelheiten unterscheiden konnte.
Martin Beck erkannte Günes Fratt, den zweiundzwanzigjährigen Medizinstudenten aus Ankara. Er ging ganz vorn und sprach gestikulierend auf seinen Nebenmann ein.
Danach sah er sie.
Vielleicht 15 Meter hinter der Hauptgruppe tauchten zwei Personen auf. Roseanna McGraw, immer noch in hellen Slacks und dunklem Pullover, und neben ihr mit langen Schritten der Mann mit der Schirmmütze.
Sie waren noch weit entfernt.
Wenn nur der Film reicht, flehte Marti n Beck im geheimen.
Sie kamen näher. Die Kameraeinstellung blieb unverändert.
Ließen sich die Gesichter unterscheiden?
Er sah, wie der große Mann sie am Arm hielt, um ihr an einer Pfütze vorbeizuhelfen.
Er sah sie stehenbleiben und auf das Schiff blicken, das vorbeiglitt und sie nun verdeckte. Aus.
Aber Mr. Bellamy aus Klamath Falls war hartnäckig und behielt seine Einstellung bei. Das Schiff war vorübergezogen, und jetzt war Roseanna McGraw wieder zu sehen. Sie warf den Kopf zurück, reckte den Arm gegen jemand, der noch nicht im Bild war und jetzt langsam auftauchte.
Der Bildwechsel kam wie ein Schock. Die Schleusenmaschinen in Nahaufnahme, im Umkreis lauter Zuschauerbeine. Martin Beck glaubte Füße in Sandalen zu sehen neben hellen Hosenbeinen und braunen Halbschuhen.
Flimmern. Mehrere Menschen hielten den Atem an. Martin Beck zerknüllte sein Taschentuch zwischen den Fingern.
Aber noch war es nicht zu Ende. Ein etwas unterbelichtetes Gesicht mit lila Mund und einer straßbesetzten Sonnenbrille füllte die Leinwand, verschwand nach rechts. Entlang der Backbordseite auf dem A-Deck ging eine Kellnerin in weißer Bluse und schlug auf einen Gong. Hinter ihr tauchte Roseanna McGraw aus dem Eingang zum Eßraum auf, furchte die Augenbrauen, blickte zum Himmel, lachte i und wandte sich zu jemandem um, der noch hinter ihr verdeckt war. Nicht ganz – man sah einen Arm in gesprenkeltem Tweed, den Teil einer Schulter. Dann erschienen die weißen Punkte, das Bild verblaßte, ging in Grau über.
Sie hatte gelacht. Er hatte sich nicht getäuscht.
Am 4. Juli, gegen19 Uhr, hatte sie gelacht. Kurz darauf hatte sie zu Abend gegessen – Rinderbraten, frische Kartoffeln, Erdbeeren und Milch. Während ein schwedischer Oberst und ein deutscher Major strategische Probleme der Schlacht von Stalingrad erörterten.
Die Filmleinwand war in Licht getaucht. Neue Schleusen. Blauer: Himmel mit treibenden Wolken.
Der Kapitän mit der Hand am; Maschinentelegraf.
»Sjötorp«, erklärte Ahlberg. »Nächster Tag, 12 Uhrmittags. Sie sind bald draußen auf dem Vänernsee.«
Martin Beck erinnerte sich an alle ergänzenden Einzelheiten. Vor einer Stunde hatte es aufgehört zu regnen. Roseanna McGraw war tot. Seit zwölf Stunden lag ihr nackter, zerrissener Körper eingebettet im Schlamm unterhalb der Mole in Borenshult.
Auf dem Deck der Diana streckten sich Menschen auf ihren Liegestühlen aus, plauderten, lachten, blinzelten in die Sonne. Die Dame aus Klamath Falls, Oregon, lachte violett in die Kamera.
Der Wasserspiegel des Vänernsees. Leute, die sich auf den Decks hin und her bewegten. Der langhaarige Heizer aus dem Vernehmungszimmer in Motala leerte einen Sack Asche und Schlacke in den See. Er war schmutzig im Gesicht und glotzte verärgert auf den Fotografen.
Keine Frau in
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