Die Tote im Götakanal
merken müssen. Denken Sie doch hundert Menschen auf einem kleinen Schiff von 30 Meter Länge und 5 Meter Breite. In einer Kabine, so groß wie eine Rattenfalle.
Ahlberg: Haben Sie jemals andere als rein berufsmäßige Beziehungen zu Mitreisenden gehabt?
Zeuge: Ja, zu meiner Frau.
Martin Beck zog die drei Fotografien hervor. Zwei stammten von dem Filmstreifen, die dritte war eine Ausschnittsvergrößerung eines Schwarzweißbildes aus Kafkas Sendung. Sie hatten zwei Dinge gemeinsam: Sie stellten einen großen Mann mit Sportmütze und Tweedjacke dar, und sie waren von sehr schlechter Qualität. In diesem Augenblick trugen an die hundert Polizisten in Stockholm, Göteborg, Söderköping und Linköping Abzüge dieser drei Bilder mit sich herum. Außerdem waren sie an jedes einzelne Landsfiskalsbüro und die meisten Polizeireviere von Karesuando bis Smygehamn geschickt worden. Und an mehrere Stellen im Ausland. Sie waren schlecht, wie gesagt; aber jemand, der den Mann kannte, müßte ihn darauf wiedererkennen. Vielleicht. Bei der letzten Besprechung hatte Hammar gesagt: »Ich finde, er sieht Melander etwas ähnlich.« Und dann: »Was wir betreiben ist keine Nachforschung, sondern ein Wettraten. Deutet irgend etwas darauf hin, daß der Kerl Schwede ist?«
»Das Moped.«
»Von dem wir nicht wissen, ob er es mit an Bord gebracht hat.«
»Richtig.«
»Ist das alles?«
»Ja.«
Martin Beck steckte die Bilder in seine Brieftasche, nahm Ahlbergs Protokoll vor, blätterte darin herum, bis er fand, was er suchte.
Natürlich. Aber nicht mit den Passagieren zusammen, sondern hinterher, wenn die fertig sind. Es gibt feste Preise für die einzelnen Mahlzeiten, á la carte, sozusagen.
Dann suchte er unter den Papieren die Liste heraus, auf der das gesamte Personal, das während der letzten fünf Jahre auf den Kanalschiffen beschäftigt war, aufgeführt war. Nachdem er sie durchgelesen hatte, hakte er einen Namen ab.
Göta Isaksson, Kellnerin, Polhemsgatan 7, Stockholm. Z. Z. angestellt im Schnellrestaurant SHT. Diana 1959-1961, Juno 1962, Diana 1963 und 1964.
Es fand sich keine Notiz, daß Melander oder Kollberg sie vernommen hatten.
Beide Nummern der Taxi-Zentrale waren besetzt, und nachdem er den Gedanken, einen Streifenwagen zu bestellen, verworfen hatte, zog er Mantel und Hut an, schlug den Kragen hoch und ging durch den Schneematsch zur U-Bahn.
Der Oberkellner im SHT schien gehetzt und verärgert, wies ihn aber zu einem von Fröken Götas Tischen, unmittelbar neben der Pendeltür zur Küche. Martin Beck setzte sich auf ein Wandsofa und sah sich im Lokal um. Fast alle Tische waren besetzt, hauptsächlich von Männern in mittleren Jahren. Nach ihrem vertraulichen Benehmen den Kellnerinnen gegenüber zu urteilen, alles Stammgäste.
Martin Beck sah sich die Kellnerinnen an, die durch die Pendeltür ein und aus gingen. Er überlegte, welche von ihnen wohl Fröken Göta sein konnte, und es dauerte beinahe zwanzig Minuten, bis er es erfuhr. Sie hatte ein rundes, freundliches Gesicht, große, gesunde Zähne und kurzgeschnittenes, wuscheliges Haar, dessen Farbe nur von einem Tönungsmittel stammen konnte.
Er bestellte ein Bier und ein Sandwich. Er hatte keine Eile – bei diesem Trubel konnte man sich doch nicht unterhalten, da wartete er lieber, bis die meisten Gäste gegangen waren. Nachdem er noch vier Tassen Kaffee getrunken hatte, kam sie endlich an seinen Tisch.
Er nannte sein Anliegen und zeigte ihr das Bild.
Sie betrachtete es aufmerksam, legte es dann auf den Tisch zurück und zog an ihrer engen weißen Jacke.
»Doch«, sagte sie, »den kenn ich. Seinen Namen weiß ich natürlich nicht, aber er ist mehrmals mit unseren Schiffen gefahren. Auf der Juno und auf der Diana, glaub ich.«
Martin Beck griff nach dem Bild und hielt es ihr noch einmal hin. »Sind Sie sicher? Die Aufnahme ist nicht besonders scharf. Irren Sie sich auch nicht?«
»Bestimmt nicht. Die Jacke und die Schirmmütze erkenne ich wieder – die hat er immer angehabt.«
»Entsinnen Sie sich wohl, ob Sie ihn in diesem Sommer gesehen haben? Sie fuhren ja wohl auf der Diana.«
»Lassen Sie mich mal nachdenken… Tja, das kann ich nicht genau sagen. Man sieht ja immer so viele Menschen. Aber im vorigen Sommer bestimmt. Sogar mehrmals. Ich war damals auf der Diana, und meine Kollegin, die zweite Serviererin, kannte ihn etwas näher. Sie unterhielten sich manchmal miteinander. Er fuhr immer nur ein Stück mit uns mit. Als Deckspassagier. Ja, bestimmt
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