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Die Tote im Götakanal

Die Tote im Götakanal

Titel: Die Tote im Götakanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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das Körpergewicht auf dem rechten Fuß ruhend, auf Zehen, mit dem linken Hacken den rechten Spann reibend.
    Knapp 24 Stunden vor ihrem Tod!
    Martin Beck hielt den Atem an; keiner im Raum sagte ein Wort. Die Frau aus Lincoln verblaßte, während weiße Punkte über die Leinwand zogen.
    Die Rolle war zu Ende.
    Der Nebel hatte sich gelichtet. Ein geziertes Lächeln von lila Lippen. Ein älteres Ehepaar in Deckstühlen, mit Wolldecken über den Knien. Keine Sonne, aber auch kein Regen.
    »Wer sind die Leute?« fragte der Landsfogd.
    »Amerikaner«, entgegnete Kollberg. »Anderson heißen sie.«
    Das Schiff in einer Schleuse. Bild von der Brücke über das Vordeck, viele Rücken. Frihult von oben, schwankend zwischen den Planken und dem Steinbelag, lange nasse Späne aus Nadelholz, die auf das schwarze Wasser hinabgleiten. Ein Mann der Besatzung an Land, weit vornübergebeugt dreht er die Spill des Schleusentores. Kamera zu den sich öffnenden Schleusentoren hin. Kamera vom Vorderdeck aus. Mrs. Bellamys faltiges Doppelkinn schräg von unten, mit der Brücke und dem Schiffsnamen im Hintergrund.
    Neues Bild von der Brücke aus. Neue Schleuse.
    Vorderdeck voller Menschen. Bildwechsel zu einem Mann im Strohhut, der sich unterhält.
    »Cornfield, Amerikaner, reiste allein«, erklärte Kollberg.
    Martin Beck fragte sich, ob er der einzige gewesen war, der Roseanna McGraw in der vorhergegangenen Szene erkannt hatte. Sie hatte an der Steuerbordreling gestanden, wie üblich auf die Ellbogen gestützt, in Slacks und dunklem Pullover.
    Das Bild vom Durchschleusen ging weiter, aber jetzt war sie nicht mehr zu sehen.
    »Wo kann dies hier sein?« frage der Landsfogd wieder.
    »Kurz hinter Karlsborg«, meinte Ahlberg. »Nicht das am Vättern, es gibt einen Ort gleichen Namens dicht westlich von Söderköping. Sie sind um Viertel vor zehn dort abgefahren. Dies hier muß gegen elf gewesen sein.«
    Wieder eine Schleuse, Ansicht des Vorderdecks.
    Da war sie wieder! Im schwarzen Rollkragenpullover. Mitten in einer Gruppe Menschen. Sie drehte das Gesicht zur Kamera und schien zu lächeln.
    Plötzlich abgebrochen. Kielwasser. Längere Folge mit Mrs. Bellamy und dem Ehepaar Anderson. Einmal ging der martialische Oberst aus Norr Mälarstrand zwischen Motiv und Kamera vorbei, undeutlich und langsam.
    Martin Beck spürte einen Schmerz im Nacken.
    Zehn Stunden vor ihrem Tod. Hatte sie gelacht?
    Kurzer Blick übers Vorderdeck mit nur drei, vier Personen. Das Schiff jetzt mitten auf einem See.
    Weiße Punkte. Schluß der Filmrolle.
    Der Landsfogd richtete sich auf. »Roxen?«
    »Asplängen«, sagte Ahlberg.
    Eine Klappbrücke, Häuser am Strand. Menschen, die winkten und glotzten.
    »Norsholm«, erklärte Ahlberg. »Gegen Viertel nach drei.«
    Die Kamera blieb hartnäckig auf den Strand gerichtet. Bäume, Kühe, Wiesen. Ein kleines Mädchen, sieben oder acht Jahre alt, auf dem Fußweg entlang der Kanalböschung. Blaues Kleidchen, zwei Rattenschwänze und Holzschuhe. Jemand von Bord warf ihr ein Geldstück hin. Sie nahm es auf, knickste scheu und verwirrt. Mehr Geldstücke. Die Kleine hob sie schnell auf, setzte sich in Trab, um mit dem Schiff Schritt zu halten. Eine Frauenhand mit einem blinkenden! Halbdollarstück zwischen sehnigen Fingern mit karmesinroten Nägeln. Mrs.
    Bellamy mit exaltiertem Gesicht und ausholender Armbewegung. Das Mädchen am Ufer, die rechte Hand voller Münzen, völlig verwirrt, erstaunter blauer Blick.
    Martin Beck hatte kein Auge für die kleine Szene.
    Er hörte, wie Ahlberg tief den Atem einzog und wie Kollberg sich reckte.
    Hinter der mildtätigen Dame aus Klamath Falls, Oregon, hatte Roseanna McGraw das Shelter-Deck überquert. Sie war nicht allein gewesen. Links, dicht neben ihr, hatte sich ein Mann befunden. Ein Mann mit einer Sportmütze. Er war einen Kopf größer als sie und hatte sich eine Zehntelsekunde im Profil gegen den hellen Hintergrund abgezeichnet.
    Alle hatten ihn gesehen.
    »Film anhalten!« rief der Landsfogd.
    »Lieber erst ablaufen lassen«, meinte Ahlberg.
    Die Kamera kehrte wieder zum Ufer zurück. Grüne Wiesen glitten vorbei, wogendes Schilf, und schließlich verblaßte die Sommerlandschaft hinter einer Reihe weißer Punkte.
    Martin Beck nahm sein Taschentuch aus der Brusttasche und wischte sich über den Nacken.
    Das Bild, das die Leinwand jetzt ausfüllte, war neu und überraschend. Vor ihnen lag der Kanal, der sich in einer langen, sanften Kurve durch die grüne Landschaft wand. Links des

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