Die Tote im Götakanal
Schrillen der Telefonglocke warteten.
Aber alles blieb still, und nach einigen Minuten sahen sie den Mann die Fahrbahn überqueren. Am Bürgersteig entlang verlief eine Steinmauer, die an der Hauswand unter ihrem Fenster endete. Oberhalb der Mauer erstreckte sich eine Grasfläche bis zum Haus hin, und darunter befanden sich zwei Toiletten, die man durch Türen in der Mauer von der Straße her betreten konnte.
Vorn am Bürgersteig blieb der Mann wieder stehen und blickte zum Haus hinauf. Dann ging er langsam auf ihre Tür zu.
Er verschwand aus ihrem Blickfeld, und Ahlberg starrte lange über den Platz, ehe er Martin Beck ausfindig machte, der neben einem Baum in der Grünanlage stand. Eine Straßenbahn auf Birger Jarlsgatan verdeckte ihn einige Sekunden lang, und als die vorbeigefahren war, konnte er ihn nicht mehr sehen.
Nachdem fünf Minuten vergangen waren, entdeckten sie Bengtsson wieder.
Er hatte sich so eng an die Mauer gedrückt, daß sie ihn erst sahen, als er unterhalb des Parks auf die Fahrbahn trat und auf die Straßenbahnhaltestelle mitten auf dem Platz zusteuerte. Bei einem Verkaufsstand blieb er stehen. Während er sein Würstchen verzehrte, sah er die ganze Zeit zu ihrem Fenster hinauf. Danach begann er, mit den Händen in den Taschen, auf dem Straßenbahnsteig auf und ab zu gehen. Hin und wieder blickte er zu ihnen hinauf.
Der Verkehr wurde jetzt lebhafter. Die Kinos waren aus, und ein Strom von Menschen kam am Park vorbei.
Sie verloren Bengtsson vorübergehend aus den Augen, entdeckten ihn aber bald wieder in der Mitte einer Gruppe von Kinobesuchern. Wieder lief er auf die Telefonzelle zu, blieb stehen, um dann mit schnellen Schritten in den Anlagen zu verschwinden. Martin Beck drehte ihm den Rücken zu und entfernte sich langsam.
Bengtsson durchquerte den kleinen Park, überquerte die Straße in Richtung auf das Restaurant und bog in Tegnergatan ein. Nach ein paar Minuten tauchte er auf der anderen Straßenseite auf und machte Anstalten, rund um Eriksbergsplan zu gehen.
»Glaubst du, daß er schon öfter unten gestanden hat?« fragte die Frau im Baumwollträgerrock.
»Schließlich ar es reiner Zufall, daß ich ihn heute abend entdeckt habe.«
Ahlberg stand, mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt, neben dem Fenster, und rauchte. Er sah auf das Mädchen, das, mit dem Gesicht zum Fenster, neben ihm stand. Es hatte die Beine gespreizt und die Hände in den Rocktaschen vergraben, und im schwachen Widerschein der Straßenlaternen wirkten seine Augen wie dunkle Brunnen in dem bleichen Gesicht.
»Vielleicht ist er jeden Abend hier gewesen«, sagte sie.
»Möglich war’s«, meinte er. Und als der Mann dort unten zu seinem vierten Rundgang um den Platz ansetzte, fügte sie hinzu: »Wenn der die ganze Nacht so herumrennen will, werd ich verrückt, und Lennart und Martin frieren sich zu Tode.«
Um fünf vor halb eins hatte der Mann seine achte Runde um den Platz beendet. Danach blieb er unterhalb der Treppe zum Park stehen, sah noch einmal zum Haus hinauf und hastete dann zur Straßenbahnhaltestelle. Ein Bus bremste vor der Haltestelle, hielt, und als er wieder anfuhr, war Bengtsson verschwunden.
»Sieh mal, da ist Martin«, sagte Sonja Hansson.
Ahlberg zuckte beim Klang ihrer Stimme zusammen. Die ganze Zeit über hatten sie nur miteinander geflüstert, jetzt sprach sie zum erstenmal seit zwei Stunden mit normaler Lautstärke.
Er sah, wie Martin Beck über die Straße eilte und ins Auto sprang, das sie vor dem Kleinen Theater abgestellt hatten. Er fuhr schon los, ehe er noch die Tür richtig zugemacht hatte, und der Wagen verwand in derselben Richtung wie der Bus.
»Das war ein nervenaufreibender Abend«, sagte Sonja Hansson.
»Jetzt bin ich aber rechtschaffen müde.«
»Dann nichts wie ins Bett«, meinte Ahlberg.
Er selbst hätte auch nichts dagegen gehabt, ins Bett zu kommen, aber zehn Minuten später befand er sich schon wieder auf dem Polizeirevier Klara.
Einen Moment später erschien Kollberg. Sie hatten weitere fünf Züge geschafft, als Martin Beck zurückkam.
»Er fuhr mit dem Bus nach St. Eriksplan und ging direkt nach Hause. Ein paar Minuten darauf ging das Licht aus – jetzt schläft er vermutlich schon.«
»Es war reiner Zufall, daß sie ihn entdeckt hat«, sagte Ahlberg. »Weiß der Himmel, wie oft er früher schon dagewesen ist.«
»Beweisen tut es aber nichts«, meinte Kollberg und blickte angestrengt auf die Schachpartie.
»Wieso?«
»Kollberg hat recht«, unterstrich
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