Die Tote im Götakanal
als er die Haustür öffnete. Kollberg hatte offenbar genauso schnell geschaltet, denn er und Martin Beck trafen sich vor der Haustür. Sie traten zusammen ein, schlössen die innere Glastür auf. Keiner von ihnen sprach ein Wort. Kollberg eilte die Stufen hinauf. Er sollte eine halbe Treppe unterhalb der Wohnung stehenbleiben und erst auf Zeichen vorgehen. Martin Beck drückte auf den Knopf, um den Aufzug herunterzuholen. Aber er kam nicht. Er hastete die Stufen hinauf, an dem erstaunten Kollberg vorbei.
Der Aufzug stand vollkommen richtig in der zweiten Etage, aber Stenström hatte ihn außer Betrieb gesetzt, indem er die Gittertür nicht zugezogen hatte.
Dadurch war es ihm gelungen, einen Teil des Planes zu stören. Martin Beck hatte ursprünglich beabsichtigt, mit dem Lift in den dritten Stock hochzufahren und sich der Wohnung von oben zu nähern.
Noch war alles still hinter Sonja Hanssons Tür; aber Stenström wußte, daß ihm nicht viel Zeit blieb.
Eine halbe Minute später ertönte ein gedämpfter Schrei und ein Gepolter. Martin Beck hatte den Schlüssel schon in der Hand, und zehn Sekunden später befand er sich in Sonja Hanssons Schlafzimmer.
Das Mädchen saß auf dem Bett. Stenström stand mitten im Zimmer und gähnte, während Ahlberg seinen rechten Arm leicht auf den Rücken gedreht hatte.
Auf einen Pfiff von Martin Beck kam Kollberg wie eine Schnellzuglokomotive in die Wohnung gerast.
Vor lauter Eifer stieß er im Flur ein kleines Tischchen um. Türen hatte er nicht zu öffnen brauchen.
Martin Beck rieb sich den Nasenrücken und betrachtete das Mädchen. »Gut«, sagte er.
Sie hatte sich völlig realistisch auf das Spiel vorbereitet. Sie trug ein dünnes, kurzärmeliges Baumwollkleid und weder Schuhe noch Strümpfe. Ganz offensichtlich hatte sie auch Büstenhalter und Unterwäsche ausgelassen.
»Ich zieh mir schnell was an und mache Kaffee«, sagte sie.
Sie gingen alle ins Wohnzimmer. Zehn Minuten später erschien Sonja in Sandalen, Jeans und einem braunen Pullover und stellte eine Kanne Kaffee auf den Tisch.
»Mein Schlüssel klemmt«, sagte Ahlberg. »Beinahe hätte ich die Tür nicht aufgekriegt.«
»Das macht kaum was aus«, beruhigte Martin Beck ihn. »Du wirst dich bestimmt nicht so beeilen müssen wie wir.«
»Ich hab dich ins Haus kommen hören, gerade als mir Sonja geöffnet hat«, sagte Stenström.
»Also das nächste Mal Gummisohlen«, meinte Kollberg.
»Du mußt das nächste Mal also schneller aufmachen«, wies Martin Beck an.
»Das Guckloch in der Garderobe ist in Ordnung«, erklärte Ahlberg »Ich hab dich die ganze Zeit beobachtet.«
»Zieh besser den Schlüssel raus«, riet Stenström.
»Was hättest du gemacht, wenn ich dich eingeschlossen hätte?«
Das Telefon klingelte. Alle hielten den Atem an.
»Ja, hallo? Nein du, nicht heute abend… Ich bin noch einige Tage beschäftigt… Ob ich Herrenbesuch habe? Ja, gewissermaßen…«
Sie legte auf und begegnete den Blicken ihrer Gäste.
»Es war nichts«, sagte sie.
28
Sonja Hansson spülte Wäsche im Badezimmer.
Als sie den Wasserhahn zudrehte und sich aufrichtete, hörte sie im Wohnzimmer das Telefon klingeln.
Ohne sich die Hände abzutrocknen, rannte sie hin und nahm den Hörer hoch.
Es war Bengtsson.
»Die Kommode ist unterwegs, der Wagen muß in einer Viertelstunde bei Ihnen sein.«
»Danke. Lieb von Ihnen, daß Sie anrufen. Sonst hätte ich womöglich nicht aufgemacht; so zeitig hab ich nicht damit gerechnet. Soll ich ins Büro kommen zum Zahlen oder…«
»Das können Sie beim Fahrer erledigen. Er hat die Rechnung mit.«
Danke, dann tu ich das. Und vielen Dank für Ihre Freundlichkeit Herr…?«
»Bengtsson. Ich hoffe, Sie werden mit uns zufrieden sein, Fröken Hansson. Der Wagen kommt, wie gesagt, in einer Viertelstunde. Auf Wiedersehen.«
Als er aufgelegt hatte, wählte sie Martin Becks Nummer.
»Die Kommode kommt in einer Viertelstunde. Eben hat er angerufen. Beinahe hätte ich es überhört; aber das war ja ein Glück sozusagen, daß ich jetzt darauf aufmerksam geworden bin. Ich hatte gar nicht daran gedacht, wenn ich Wäsche im Badezimmer spüle, höre ich das Klingeln nicht.«
»Dann darfst du eben eine Zeitlang nicht waschen oder baden«, sagte Martin Beck. »Aber Scherz beiseite – du mußt in den nächsten Tagen immer in der Nähe des Telefons sein. Also keine Exkursionen in die Waschküche oder auf den Boden.«
»Ich weiß. Soll ich runtergehen, wenn die Kommode gekommen ist?«
Ahlberg
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