Die Tote im Götakanal
saß bei Martin Beck im Zimmer und hob fragend die Brauen, als dieser auflegte.
»In einer halben Stunde ungefähr wird ihr die Kommode gebracht«, erklärte Martin Beck.
»Dann hören wir wohl bald von ihr. Tüchtiges Mädchen, diese Sonja. Ich mag sie gern.«
Als sie nach zwei Stunden immer noch nichts gehört hatten, wurde Ahlberg langsam unruhig. »Es wird ihr doch nichts passiert sein?«
»Keine Sorge! Sie wird sich schon melden.«
Eine halbe Stunde später klingelte das Telefon.
»Habt ihr lange gewartet?«
»Was war denn los?« knurrte Martin Beck.
»Ich werd mal von Anfang an berichten. Zwanzig Minuten nach unserem Gespräch kamen zwei Leute von der Firma mit der Kommode. Ich habe sie mir gar nicht genau angesehen, sondern nur denen erklärt, wo sie hingestellt werden sollte. Als sie weg waren, entdeckte ich, daß es eine falsche war. Ich bin dann sofort ins Büro, um mich zu beschweren.«
»Das hat aber ziemlich lange gedauert.«
»Ja, er verhandelte gerade mit einem Kunden, als ich kam. Ich stand vor dem Glasfenster und wartete.
Er sah mehrmals zu mir hin, und ich hatte den Eindruck, als wenn er sich mit seinem Kunden beeilte.
Es dauerte aber doch noch gut fünf Minuten, bis er ihn loswurde. Er war völlig zerknirscht wegen des Versehens. Ich sagte, so was sei ein Fehler, den man der Firma nicht anlasten könnte, und wir haben uns beinahe gestritten, wessen Schuld das war. Er erkundigte sich dann sofort, ob man mir die richtige Kommode noch am gleichen Abend bringen kön-ne.«
»Und?«
»Sie hatten keine Fuhre frei. Er versprach mir dann, sie morgen bestimmt zu schicken; er würde sie selber bringen. Ich sagte, das sei wirklich zuviel verlangt, obwohl ich mich natürlich sehr freuen würde…«
»Das war alles?«
»Nein; ich blieb noch ein bißchen.«
»War es schwer, mit ihm ins Gespräch zu kommen?«
»Schwer nicht direkt, aber etwas nachhelfen mußte ich doch. Er ist nicht sehr entgegenkommend.«
»Worüber habt ihr euch unterhalten?«
»Was für ein gräßlicher Verkehr in der Stadt herrscht und daß Stockholm früher viel netter war.
Ich sagte, daß dies keine Stadt sei, in der man gern allein sein würde. Er stimmte mir bei, meinte dann aber, daß ihm das Alleinsein nichts ausmachte.«
»Schien er sich gern mit dir zu unterhalten?«
»Ich glaub wohl. Aber ich konnte ja nicht ewig bei ihm sitzen bleiben. Er erzählte, daß er gern ins Kino ginge, aber sonst würde er kaum ausgehen. Viel mehr haben wir nicht geredet, und dann bin ich gegangen. Er brachte mich zur Tür und war überhaupt sehr höflich. Was machen wir jetzt?«
»Nichts. Abwarten.«
Zwei Tage später ging Sonja Hansson noch einmal zu der Speditionsfirma. »Ich möchte mich für Ihre Hilfe bedanken und sagen, daß die Kommode nun richtig angekommen ist. Es tut mir leid, daß ich Ihnen soviel Umstände gemacht habe.«
»Ich bitte Sie – das hat doch überhaupt keine Umstände gemacht«, entgegnete Folke Bengtsson.
»Sie sind stets willkommen, Fröken Hansson, ich stehe jederzeit zu Ihrer Verfügung.«
Dann trat ein Mann, offensichtlich der Chef, ins Zimmer, und sie verabschiedete sich.
Als sie das Büro verließ, spürte sie, wie Bengtsson ihr nachsah. Vor der Tür drehte sie sich noch einmal um, und ihre Blicke begegneten sich durch die Glastür.
Eine ereignislose Woche schleppte sich dahin, dann wurde das Experiment wiederholt. Sonja hatte wieder etwas zu transportieren. Als Erklärung gab sie an, sie habe die Wohnung in Runebergsgatan erst kürzlich bezogen und sei noch immer dabei, Erbstücke und andere Möbel, die auf verschiedenen Dachböden untergestellt worden waren, zusammenzutragen.
Nach weiteren fünf Tagen stand sie wieder vor ihm, kurz vor fünf. Weil sie gerade in der Nähe zu tun hatte, wollte sie mal vorbeischauen.
Sonja Hansson war nicht bei Laune, als sie anrief.
»Reagiert er immer noch nicht?«
»Nur mäßig. Ich glaube nicht, daß er es ist.«
»Warum nicht?«
»Er ist schüchtern, und eher etwas uninteressiert.
Ich hab mich die letzten Male ziemlich scharf ins Zeug gelegt. Kaum mißzuverstehen. Sieben von zehn Kerlen würden seit einer Woche wie Wölfe vor meiner Tür sitzen und heulen. Aber wahrscheinlich bin ich nicht attraktiv genug. Was soll ich tun?«
»Mach weiter.«
»Ihr solltet euch eine andere suchen!«
»Mach weiter!«
Weitermachen! Aber wie lange? Mit jedem Tag, der vorbeiging, wurde Hammars Blick fragender und das Gesicht, das Martin Beck im Spiegel entgegenstarrte,
Weitere Kostenlose Bücher