Die Tote ohne Augen
nur noch
der Abschlussbericht des Tierarztes. Doch da würde auch nicht viel drinstehen,
da war sie sich sicher. Dass der Tierarzt die Tiere hatte erlösen müssen, war
klar. Dass die Augen der Tiere mit Säure verätzt wurden, war auch klar, nur wer
es war, war nicht klar oder besser, Maria hatte absolut keine Idee.
Kapitel 6
Es wurde ihr ganz schummrig
vor den Augen. Dann spürte sie den brennenden Schmerz. Zunächst auf der Stirn,
dann auf der Nase, den Lippen, den Wangen. Es brannte höllisch, doch sie konnte
sich nicht wehren. Einige Tropfen vielen auf ihren nackten Bauch, auf ihr Dekolleté.
Sie wollte schreien, doch es ging nicht. Zu müde und durcheinander war sie vom
Beruhigungsmittel. Dann sah sie es kommen. Er füllte die Spritze noch mal nach,
steckte das Glasröhrchen mit der Säure wieder zurück in seine Hosentasche. Dann
träufelte er ein paar Tropfen in ihre Augen, zunächst in das rechte, dann in
das linke. Es wurde dunkel!
Zwei Tage später in der
Reitschule. Maria hatte sich, zusammen mit dem Staatsanwalt, dazu entschieden,
die Kinder nicht zu befragen. Die Staatsanwaltschaft hatte die Reitanlage
wieder freigegeben und Mike versuchte ein normales Leben zu führen. Als er am
Nachmittag in eine der Boxen kam, stellte er fest, dass mit Malpira, seinem
besten Pferd im Stall, etwas nicht stimmte. Sie stand apathisch in der Box und
starrte die ganze Zeit ihren Bauch an. Als er den Bauch berührte, bemerkte er,
dass dieser ganz aufgebläht war. Er erkannte das Problem sofort: Eine Kolik! Er
rief sofort Dr. Lomesch an. Als dieser etwa eine halbe Stunde später auf den
Hof fuhr, staunte er nicht schlecht: Josefa saß auf dem Beifahrersitz. „Tut mir
leid“, meinte der Tierarzt, „ich war mit meiner Freundin beim Einkaufen, als du
angerufen hast, deshalb hat es etwas länger gedauert. Ich denke, ihr kennt euch.“
„Leider“, hörte man eine raue Frauenstimme vom Beifahrersitz aus. „Ich bleibe
lieber hier drinnen und höre Musik, nicht dass ich diesem Arsch noch auf die
Füße trete. Außerdem setze ich keinen Fuß mehr in diesen dreckigen Stall!“
„Dieser dreckige Stall hat dich aber während unserer gemeinsamen Zeit gut leben
lassen“, schrie Mike. Seine moralische Verfassung war im Moment sowieso nicht
gerade die beste, aber jetzt kochte die Wut in ihm über und er fügte hinzu:
„Und wie ich sehe, hast du ja schnell einen gefunden, der dich aushält, dir
schien ja nicht viel an uns gelegen zu haben – du Hure.“ Gott sei dank hatte der
Tierarzt dies alles nicht mitgehört, er war schon im Stall verschwunden. Mike
ging zu ihm, noch immer mit hochrotem Kopf und fuchsteufelswild. „Malpira hat
tatsächlich eine Kolik. Da du aber rechtzeitig reagiert hast, bekommen wir das Ganze
noch medikamentös hin. Ich werde dem Pferd einen Zugang legen und ihm eine
Infusion mit Kochsalzlösung sowie schmerzstillenden Medikamenten verabreichen.
Danach führst du sie an der Hand durch die Halle. Sie darf sich wälzen, achte
nur darauf, dass sie wieder aufsteht und nicht liegen bleibt, sonst kriegen wir
sie nicht mehr hoch.“
Mike wusste genau, was zu tun
war. Malpira lag ihm besonders am Herzen. Es war sein erstes Pferd, ein gut
trainiertes Springpferd. Als eine Schülerin sie vor Jahren ritt, streifte das
Tier jedoch mit dem Kopf an einer rauen Wand entlang und es verlor ein Auge.
Von da an war Schluss mit Springen. Malpira traute eigentlich von dem Tag an
nur noch Mike. Er war der Einzige, der sich sicher in ihrer Box bewegen konnte,
ohne Angst haben zu müssen, dass sie trat. Dieses Vertrauen und diese
Freundschaft gibt es nur bei Tieren, Menschen sind untereinander nicht zu so
etwas imstande. Als er eine halbe Stunde später mit Malpira durch die Halle
ging, hörte er auf einmal ein Auto draußen. Er sah zum Fenster hinaus. Es war
die Kommissarin. Mikes Herz pochte schneller und schneller. War es, weil die
Polizei ihm etwas Wichtiges zu sagen hatte oder weil eine wunderschöne Frau
seinen Hof betrat. Er wusste es selbst nicht.
„Guten Tag Herr Lüttich, gut, dass
Sie da sind“, begann sie sofort und kam auch sofort auf den Punkt. „Ich habe
eine Beschwerde gegen Sie vorliegen, von einer gewissen Frau Josefa Meyrath.
Sie beschuldigt Sie der Beleidigung! Haben Sie diese Frau eine Hure genannt?“ –
„Äh, ja“, antwortete Mike, „aber nur weil sie mich Arsch genannt hat, dann
beschwere ich mich jetzt auch offiziell gegen sie.“ – „Das ist alles nicht so
einfach“, entgegnete
Weitere Kostenlose Bücher