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Die Tote ohne Namen

Die Tote ohne Namen

Titel: Die Tote ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Tränen flössen. »Ach Peyton, ich hab mein kleines Mädchen nie wiedergesehen.«
    Mit bebender Stimme sagte er: »Temple hat sie umgebracht, Rachael. Das muß ein Ende haben.«
    Ich fuhr zurück nach Hilton Head und flog am frühen Abend nach Charlotte und von dort weiter nach Richmond. Ich holte mein Auto, fuhr aber nicht nach Hause, weil ich mich unter einem solchen Druck fühlte, daß ich keine Ruhe fand. Wesley erreichte ich nicht, und Lucy hatte keinen meiner Anrufe erwidert.
    Es war fast neun Uhr, als ich an kohlrabenschwarzen Artillerieschießständen und Baracken vorbeifuhr, die Bäume zu beiden Seiten der schmalen Straße warfen riesige Schatten. Ich war müde und erschöpft, hielt angespannt Ausschau nach Verkehrsschildern und nach Tieren, die die Straße überquerten, als ich plötzlich ein blaues Licht hinter mir blinken sah. Ich versuchte zu erkennen, wer da hinter mir fuhr. Es gelang mir nicht, aber ich wußte, daß es keine Polizeistreife war, deren Wagen hatten Leuchtbalken.
    Ich fuhr weiter. Ich dachte an die Frauen, die angehalten hatten, weil sie glaubten, es handele sich um Polizei, und anschließend auf meinen Autopsietischen gelandet waren. Wie oft hatte ich Lucy davor gewarnt anzuhalten, wenn ein Zivilauto sie dazu aufforderte. Der Wagen verfolgte mich hartnäckig, aber ich blieb erst neben dem Wächterhäuschen an der Einfahrt zur FBI-Academy stehen.
    Der Wagen hielt hinter mir, und in der Sekunde stand ein uniformierter Militärpolizist mit gezogener Pistole neben meiner Tür. Mir blieb fast das Herz stehen.
    »Aussteigen und Hände hoch!« schrie er.
    Ich blieb absolut reglos sitzen.
    Er trat einen Schritt zurück, und ich sah, daß der Wächter etwas zu ihm sagte. Er kam aus seinem Häuschen, und der MP klopfte an mein Fenster. Ich ließ das Fenster herunter, während der MP die Hand mit der Waffe senkte, mich jedoch nach wie vor nicht aus den Augen ließ. Er war keinen Tag älter als neunzehn.
    »Sie werden aussteigen müssen, Ma'am.« Der MP klang haßerfüllt, weil ihm die Situation peinlich war.
    »Das werde ich, wenn Sie Ihre Waffe ins Holster stecken und mir aus dem Weg gehen«, sagte ich, während der Wächter zurück in sein Häuschen ging. »Und auf der Konsole zwischen den Vordersitzen liegt eine Pistole. Ich sag's Ihnen, damit Sie nicht erschrecken.«
    »Sind Sie von der Drogenfahndung?« fragte er und musterte meinen Mercedes.
    Vereinzelte graue Stoppeln bildeten so etwas wie einen Schnurrbart auf seiner Oberlippe. Mein Blut kochte. Ich wußte, daß er eine Show abziehen würde, weil der Wächter zusah.
    Ich stieg aus, das blaue Licht pulsierte auf unseren Gesichtern.
    »Bin ich von der Drogenfahndung?« Ich starrte ihn wütend an.
    »Ja.«
    »Nein.«
    »Sind Sie vom FBI?« »Nein.«
    Er wurde unruhig. »Was sind Sie dann, Ma'am?«
    »Ich bin forensische Pathologin.«
    »Wer ist Ihr Vorgesetzter?«
    »Ich habe keinen Vorgesetzten.«
    »Ma'am, Sie müssen einen Vorgesetzten haben.«
    »Der Gouverneur von Virginia ist mein Vorgesetzter.«
    »Kann ich Ihren Führerschein sehen?«
    »Nicht bevor Sie mir sagen, was Sie mir vorwerfen.«
    »Sie sind zu schnell gefahren. Fünfundvierzig statt der erlaubten fünfunddreißig Meilen. Und Sie haben versucht, mich abzuhängen.«
    »Fahren alle, die versuchen, eine MP-Streife abzuhängen, zum FBI?« »Geben Sie mir Ihren Führerschein.«
    »Und noch eine Frage, Soldat. Warum glauben Sie, daß ich nachts auf dieser gottverlassenen Straße nicht angehalten habe?«
    »Das weiß ich nicht, Ma'am.«
    »Zivilwagen stoppen nur selten Autos, Psychopathen dagegen tun es öfter.«
    In dem blauen Licht sah er fürchterlich jung aus. Wahrscheinlich wußte er nicht, was ein Psychopath war.
    »Ich werde mein Leben lang nicht anhalten, wenn jemand in einem Zivil-Chevrolet mich dazu auffordert. Und wenn wir diese Übung bis ans Ende unserer Tage wiederholen müssen. Haben Sie verstanden?«
    Ein Wagen kam aus Richtung der Akademie auf uns zu und hielt auf der anderen Seite der Schranke an.
    »Sie haben mich verfolgt«, sagte ich wütend, als eine Autotür zugeschlagen wurde. »Sie haben mich mit einer verdammten Neunmillimeter-Pistole bedroht. Hat man Ihnen bei den Marines nichts über die Verhältnismäßigkeit der Mittel beigebracht?«
    »Kay?« Benton Wesley tauchte aus der blauen Dunkelheit auf.
    Mir wurde klar, daß der Wächter ihn gerufen hatte, aber ich verstand nicht, warum Wesley um diese Uhrzeit noch hier war.
    »Guten Abend«, sagte er streng zu

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