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Die Tote ohne Namen

Die Tote ohne Namen

Titel: Die Tote ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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linke Hand zur Verteidigung gehoben hatte, als er schoß. Damit war Selbstmord als Todesursache ausgeschlossen, auch wenn andere Indizien auf Suizid gedeutet hätten, was selbstverständlich nicht der Fall war.
    »Ist festzustellen, ob sie Rechts- oder Linkshänderin war?« hörte ich Horowitz' Stimme im Dunkeln hinter mir.
    »Ihr rechter Arm ist etwas stärker ausgebildet als der linke«, sagte ich.
    »Dann war sie wohl Rechtshänderin. Ihr hygienischer Zustand ist miserabel, und sie war schlecht ernährt«, sagte Horowitz.
    »Wie jemand, der auf der Straße lebt, eine Prostituierte. Das ist mein Tip«, sagte O'Donnell.
    »Keine Hure, die ich kenne, schert sich den Kopf«, warf Marino mit rauher Stimme auf der anderen Seite des Tisches ein.
    »Hängt davon ab, auf wen sie es abgesehen hat«, meinte O'Donnell. »Der Beamte in Zivil, der sie in der Subway gesehen hat, hielt sie zuerst für einen Mann.«
    »Da war Gault bei ihr«, sagte Marino.
    »Da war der Typ bei ihr, von dem Sie annehmen, daß es Gault ist.«
    »Ich nehme es nicht nur an«, sagte Marino. »Er war es. Ich kann den Mistkerl förmlich riechen, als ob er überall, wo er ist, einen schlechten Geruch hinterläßt.«
    »Ich glaube, was Sie riechen, ist die da«, sagte O'Donnell.
    »Das Licht bitte hier herunter, genau hier. Gut, danke.« Rader sammelte Fasern ein, während die körperlosen Stimmen sich weiterhin in der Dunkelheit unterhielten, die so dicht und schwer war wie Samt.
    Schließlich sagte ich: »Mir kommt das alles sehr ungewöhnlich vor. Normalerweise findet man so viele Spuren nur, wenn jemand in eine schmutzige Decke eingewickelt war oder im Kofferraum eines Autos transportiert wurde.«
    »Jedenfalls hat sie ganz sicher in letzter Zeit kein Bad genommen, und es ist Winter«, sagte Rader, während er das Luma-Lite dirigierte und eine kleine Narbe von einer Pockenimpfung beleuchtete. »Vielleicht hat sie seit Tagen dieselbe Kleidung getragen, und wenn sie mit der U-Bahn oder mit dem Bus gefahren ist, kann sie eine Menge Schmutz abgekriegt haben.«
    Alles deutete auf eine mittellose Frau hin, die, soweit wir wußten, nicht als vermißt gemeldet worden war, weil sie kein Zuhause hatte, weil sie niemanden hatte, der wußte, daß sie verschwunden war, und sich deswegen Sorgen machte. Sie war eine typische Obdachlose. Das nahmen wir zumindest an, bis wir sie im Autopsieraum auf Tisch sechs legten, an dem der Zahnarzt Dr. Graham darauf wartete, ihre Zähne zu begutachten.
    Dr. Graham war ein breitschultriger junger Mann, der wie ein zerstreuter Professor wirkte. Er war Kieferchirurg auf Staten Island, wenn er mit den Lebenden zu tun hatte. Aber heute hatte er mit einer Person zu tun, die sich stumm beklagte, und das für ein Honorar, das wahrscheinlich nicht einmal die Ausgaben für Taxi und Mittagessen deckte. Die Totenstarre war vollkommen, und wie ein widerspenstiges Kind, das sich vor dem Zahnarzt fürchtet, wollte die tote Frau nicht kooperieren. Schließlich stemmte er ihren Mund mit einer dünnen Feile auf.
    »Nun denn, frohe Weihnachten«, sagte er, während er mit einer hellen Lampe in ihren Mund leuchtete. »Sie hat den Mund voller Gold.«
    »Höchst merkwürdig«, sagte Horowitz wie ein Mathematiker, der ein Problem durchdenkt.
    »Das sind Blattgoldfüllungen.« Graham deutete auf kleine bohnenförmige Goldfüllungen in den Schneidezähnen knapp über dem Zahnfleisch. »Sie hat sie hier und hier und hier.« Er zeigte wieder und wieder auf ihre Zähne. »Insgesamt sind es sechs. Das gibt es nur sehr selten. Ich habe noch nie so viele auf einmal gesehen. Zumindest nicht in einem Leichenschauhaus.«
    »Was zum Teufel sind Blattgoldfüllungen?« fragte Marino.
    »Nervig, das sind sie«, sagte Graham. »Eine schwierige, unangenehme Arbeit.«
    »Ich glaube, früher war das Teil der Prüfungen für die Zulassung als Zahnarzt«, sagte ich.
    »Stimmt.« Graham setzte seine Arbeit fort. »Die Studenten haben es gehaßt.«
    Er erklärte, daß bei Blattgoldfüllungen der Zahnarzt winzige Goldkügelchen in den Zahn schlagen mußte. Die geringste Spur von Feuchtigkeit ließ die Füllung herausfallen. Obwohl sie lange hielten, waren diese Füllungen arbeitsintensiv, schmerzhaft und teuer.
    »Und nur wenige Patienten wollen, daß man das Gold sieht, vor allem nicht vorn an den Schneidezähnen«, fügte er hinzu.
    Er fuhr fort, diverse Füllungen, Extraktionen, Zahnformen und Auffälligkeiten aufzulisten, die diese Frau zu der machten, die sie war. Sie

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