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Die Tote ohne Namen

Die Tote ohne Namen

Titel: Die Tote ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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seiner Stimme jedoch nicht verbergen. »Du brauchst die richtige Größe. Siehst du dieses kleine Fach hier? Da gehören sie hinein. Und du brauchst diese kleinen länglichen... «
    Der erste Schuß hörte sich an wie eine Fehlzündung eines Autos, nur kam dies aus der Küche. Marinos Blick wurde starr, als er seine Pistole aus dem Holster riß, und Trevi rollte sich auf dem Boden zusammen wie ein Tausendfüßler. Ich legte mich schützend über den Jungen, in schneller Folge explodierten Schüsse, als das Magazin einer halbautomatischen Waffe in der Nähe der Hintertür leergeschossen wurde.
    »Auf den Boden! AUF DEN BODEN!«
    »O Gott!«
    »Himmel!«
    Kameras und Mikrophone fielen krachend hin, als die Leute aufschrien, zur Tür drängten oder sich auf den Boden warfen.
    »ALLE RUNTER!«
    Marino stürmte in Kampfhaltung zur Küche, die Neunmillimeter in der Hand. Die Schüsse verklangen, und es herrschte Totenstille.
    Ich hob Trevi auf, mein Herz hämmerte, und ich begann zu zittern. Die Großmutter saß immer noch auf der Couch, vornübergebeugt, die Hände schützend über den Kopf gelegt, als ob sie in einem abstürzenden Flugzeug säße. Ich setzte mich neben sie, hielt den Jungen fest, der sich völlig versteift hatte. Seine Großmutter schluchzte vor Entsetzen.
    »Jesus. Bitte nicht, Jesus.« Sie stöhnte und wiegte sich vor und zurück.
    »Alles in Ordnung«, sagte ich mit fester Stimme zu ihr.
    »Nicht schon wieder! Ich halte es nicht mehr aus. Lieber Gott, bitte nicht!«
    Ich nahm ihre Hand. »Alles in Ordnung. Hören Sie. Es ist vorbei. Es hat aufgehört.«
    Sie wiegte sich hin und her und weinte, Trevi hängte sich ihr an den Hals.
    Marino tauchte in der Tür zwischen Küche und Wohnzimmer auf, mit angespannter Miene, sein Blick schoß durchs Zimmer. »Doc.« Er winkte mich zu sich.
    Ich folgte ihm hinaus auf einen armseligen Hinterhof, in dem Wäscheleinen hingen, und Schneeflocken wirbelten über einen dunklen Haufen auf dem weißen Gras. Das Opfer war jung, schwarz, lag auf dem Rücken und starrte aus kaum geöffneten Augen blind in den milchigen Himmel. Seine blaue Daunenweste hatte winzige Risse. Eine Kugel war durch die rechte Wange in den Kopf gedrungen, und während ich seinen Brustkasten zusammendrückte und eine Mundzu-Mund-Beatmung versuchte, lief Blut über meine Hände und erkaltete augenblicklich auf meinem Gesicht. Ich konnte ihn nicht retten. Sirenen heulten und jaulten in der Nacht wie Geister, die gegen den Tod wüteten.
    Ich setzte mich schwer atmend auf. Marino half mir auf die Beine, aus den Augenwinkeln sah ich schattenhafte Bewegungen. Ich wandte mich um und sah, wie drei Polizisten Sheriff Santa in Handschellen abführten. Seine Zipfelmütze lag nicht weit von mir entfernt auf dem Boden. Im Strahl von Marinos Taschenlampe blitzten Patronenhülsen auf.
    »Was, in Gottes Namen, ist hier los?« fragte ich geschockt.
    »Sieht so aus, als hätte der gute alte Santa Claus den guten alten Santa Crack verärgert, und dann hatten sie hier draußen eine kleine Auseinandersetzung«, sagte Marino aufgeregt und außer Atem. »Deswegen wurde die Parade zu dieser Bude umgeleitet. Sie stand ausschließlich auf der Liste des Sheriffs.«
    Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Ich schmeckte Blut und dachte an Aids.
    Der Polizeichef tauchte auf und stellte Fragen.
    Marino begann zu erklären. »Sieht so aus, als habe der Sheriff in dieser Gegend mehr als nur Weihnachtsgeschenke abliefern wollen.«
    »Drogen?«
    »Vermutlich.«
    »Ich hab mich schon gefragt, warum wir hier sind«, sagte Chief Tucker. »Die Adresse steht nicht auf der Liste.«
    »Tja, das ist der Grund.« Marino starrte ausdruckslos auf die Leiche.
    »Wissen wir, wer er ist?«
    »Anthony Jones von den berühmten Jones Brothers. Siebzehn Jahre alt, war öfter im Gefängnis als unser Doc hier in der Oper. Sein älterer Bruder wurde letztes Jahr von einem Tec-9-Mitglied umgebracht. In Fairfield Court, Phaup Street. Und wir glauben, daß Anthony letzten Monat Trevis' Mutter ermordet hat, aber Sie wissen ja, wie es hier zugeht. Niemand hat etwas gesehen. Wir hatten sozusagen keinen Fall. Vielleicht können wir ihn jetzt klären.«
    »Trevi? Sie meinen den kleinen Jungen da drinnen?« Die Miene des Chief blieb unverändert. »Ja. Anthony ist vermutlich der Vater des Jungen. Oder vielmehr war er der Vater.« »Wurde eine Waffe sichergestellt?« »In welchem Fall?« »In diesem.«
    »Smith & Wessen, Kaliber .38, die Trommel ist leergeschossen.

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