Die Tote ohne Namen
Butter. Wir haben ihn zu der Party eingeladen. Wir veranstalten jedes Jahr eine Weihnachtsparty, um Freunden und besonderen Gästen unsere Wertschätzung auszudrücken.«
»Hat er geraucht?« fragte Wesley. »Ja, hat er.«
»Erinnern Sie sich, welche Marke?« »Ja, braune Zigaretten. Nat Shermans.« »Was hat er getrunken?«
»Er mochte teuren Scotch und guten Wein. Aber er war« -Eugenio rümpfte die Nase - »ein Snob. Hat gesagt, daß nur die Franzosen guten Wein machen.« Er lachte. »Deswegen hat er normalerweise Chäteau Carbonnieux oder Chäteau Olivier bestellt, aber keinen Jahrgang vor 1989.«
»Er hat nur Weißwein getrunken?« fragte ich.
»Ja, niemals roten. Rotwein hat er nicht angerührt. Ich habe ihm einmal ein Glas auf Kosten des Hauses geschickt, und er hat es zurückgehen lassen.«
Eugenio und Wesley tauschten ihre Visitenkarten und weitere Informationen aus, und dann wandte unser Kellner seine Aufmerksamkeit wieder der Party zu, die jetzt in vollem Schwunge war.
»Kay«, sagte Wesley, »fällt dir irgendeine andere Erklärung ein für das, was wir gerade erfahren haben?«
»Nein. Die Beschreibung des Mannes paßt auf Gault. Alles paßt auf Gault. Warum tut er mir das an?« Meine Angst verwandelte sich in Wut.
Wesley sah mich unverwandt an. »Denk nach. Gibt es irgend etwas, was du mir erzählen solltest? Merkwürdige Anrufe in letzter Zeit, sonderbare Post?«
»Keine merkwürdigen Anrufe. Ab und zu bekomme ich sonderbare Post, das ist normal in meinem Beruf«
»Sonst nichts? Was ist mit deiner Alarmanlage? Ist sie öfter als üblich losgegangen?«
Ich schüttelte bedächtig den Kopf. »Diesen Monat ist sie zweimal losgegangen, aber alles schien in Ordnung zu sein. Und ich glaube wirklich nicht, daß Gault in letzter Zeit in Richmond war.«
»Du mußt sehr vorsichtig sein«, sagte er beinahe gereizt, als ob ich nicht vorsichtig gewesen wäre. »Ich bin immer sehr vorsichtig«, sagte ich.
6
Am nächsten Tag arbeitete New York wieder, und ich ging mit Marino zum Mittagessen ins Tatou, weil ich glaubte, daß uns beiden die Atmosphäre dort guttun würde, bevor wir zu Commander Penn nach Brooklyn Heights fuhren.
Ein junger Mann spielte Harfe, und an den meisten Tischen saßen attraktive, gut gekleidete Männer und Frauen, die vermutlich wenig über das Leben außerhalb von Verlagshäusern und Bürotürmen wußten, in denen sie ihre Tage verbrachten.
Ein Gefühl von Fremdheit bedrückte mich. Ich fühlte mich einsam, als ich über den Tisch auf Marinos billige Krawatte und sein grünes Kordjackett sah, die Nikotinflecken auf seinen breiten gefurchten Fingernägeln. Auf der einen Seite war ich froh über seine Gesellschaft, auf der anderen Seite konnte ich ihm meine Gedanken nicht mitteilen. Er hätte sie nicht verstanden.
»Mir scheint, du könntest ein Glas Wein zum Mittagessen gut vertragen, Doc«, sagte Marino und musterte mich eingehend. »Nur zu. Ich werde fahren.«
»Wirst du nicht. Wir nehmen ein Taxi.«
»Entscheidend ist, daß du nicht am Steuer sitzt, also entspann dich.«
»Was du eigentlich meinst, ist, daß du ein Glas Wein willst.«
»Hab nichts dagegen«, sagte er, als die Kellnerin an unseren Tisch kam. »Was haben Sie zu bieten, das sich zu trinken lohnt?« fragte er sie.
Sie schaffte es, nicht beleidigt dreinzublicken, als sie Marino die eindrucksvolle Liste zeigte, die ihn überforderte. Ich schlug einen Beringer Reserve Cabernet vor, von dem ich wußte, daß er gut war, dann bestellten wir Linsensuppe und Spaghetti bolognese.
»Diese tote Frau treibt mich noch in den Wahnsinn«, sagte Marino, nachdem die Kellnerin gegangen war. Ich beugte mich vor und bedeutete ihm, leiser zu sprechen.
Auch er beugte sich vor. »Es gibt einen Grund, warum er ausgerechnet sie ausgesucht hat.«
»Wahrscheinlich hat er sie ausgesucht, weil sie zufällig da war«, sagte ich und ärgerte mich. »Seine Opfer bedeuten ihm nichts.«
»Tja, also, ich glaube, da steckt mehr dahinter. Und außerdem würde ich gern wissen, warum er hier in New York ist. Meinst du, daß er sie im Museum getroffen hat?«
»Möglicherweise«, sagte ich. »Vielleicht wissen wir mehr, wenn wir dort waren.«
»Kostet das nicht Eintritt?«
»Wenn man sich die Exponate ansieht.«
»Sie mag eine Menge Gold im Mund gehabt haben, aber mir scheint, sie hatte nicht viel Geld, als sie starb.«
»Das glaube ich auch. Aber irgendwie sind sie und Gault ins Museum gekommen. Man hat sie zusammen gehen
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