Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tote ohne Namen

Die Tote ohne Namen

Titel: Die Tote ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
Kaff.«
    »Dieses Darien liegt in Georgia.«
    »Es überrascht mich, daß du mir das nie erzählt hast.«
    »Er tut nichts, was man unbedingt wissen müßte.« Marino beugte sich vor, das Gesicht nahe am Glas, und starrte zwei kleine Ammenhaie an, die am Boden eines Aquariums vor der Halle mit der Haifischausstellung schwammen.
    »Sie sehen aus wie große Welse«, sagte er, während die Haie mit toten Augen in die Gegend glotzten und die Schwanzflossen geräuschlos hin und her bewegten.
    Wir betraten die Sonderausstellung und mußten uns nicht einmal anstellen, weil an diesem ganz normalen Werktag kaum Besucher da waren. Wir schlenderten an Kiribati-Kriegern und an Winslow Homers Gemälde vom Golfstrom vorbei. Wir erfuhren, daß Haie Gerüche über eine Entfernung, so groß wie ein Footballfeld, und elektrische Ladungen von einem Millionstel Volt wahrnehmen können. Sie haben bis zu fünfzehn Zahnreihen und sehen so aus, wie sie aussehen, damit sie effizient wie ein Torpedo durch das Wasser zischen können.
    In einem kurzen Film sahen wir einen großen weißen Hai in einem Käfig, der wie wild nach einem Thunfisch an einer Leine schnappte. Der Sprecher erklärte, daß Haie legendäre Jäger in der Tiefe des Meeres seien, perfekte Tötungsmaschinen, der Rachen des Todes, die Könige der See. Sie riechen einen Tropfen Blut auf hundert Liter Wasser und spüren die Druckwellen anderer Tiere, die an ihnen vorbeischwimmen. Sie schwimmen schneller als ihre Beute, und niemand weiß genau, warum manche Hai- Arten Menschen angreifen.
    »Gehen wir«, sagte ich zu Marino nach Ende des Films.
    Ich knöpfte meinen Mantel zu, zog meine Handschuhe an und stellte mir vor, daß Gault diesen Monstern zugesehen hatte, wie sie Fleischstücke aus ihren Opfern reißen. Ich kannte seinen kalten Blick und den kranken Geist hinter seinem schmallippigen Lächeln. Letztlich wußte ich, daß er lächelte, wenn er tötete. Er offenbarte seine Grausamkeit in diesem seltsamen Lächeln, das ich jedesmal gesehen hatte, wenn ich ihm begegnet war.
    Ich glaubte, daß er in diesem dunklen Vorführungssaal gesessen hatte, mit der Frau, deren Namen wir nicht kannten, und daß sie, ohne es zu wissen, ihren eigenen Tod auf der Leinwand beobachtet hatte. Sie hatte gesehen, wie ihr Blut vergossen, ihr Fleisch geschändet wurde. Gault hatte ihr eine Vorschau darauf geboten, was er für sie in petto hatte. Die Ausstellung war sein Vorspiel gewesen.
    Wir gingen zurück in die marmorne Eingangshalle des Museums, wo Schulkinder Saurierskelette umringten. Das Muttertier, ein Barosaurus, streckte die langen Halsknochen zur Decke empor und versuchte, in alle Ewigkeit sein Baby vor einem Allosaurus zu schützen. Stimmen und Schritte hallten wider. Ich sah mich um. Uniformierte Museumsangestellte saßen gelangweilt hinter ihren Kartenschaltern, behielten die Eingänge zu den diversen Ausstellungen im Blick, damit niemand hineinging, der nicht bezahlt hatte. Ich sah durch die gläserne Eingangstür hinaus auf die schmutzigen Schneehaufen und die kalte geschäftige Straße.
    »Sie ist hierhergekommen, um sich aufzuwärmen«, sagte ich zu Marino.
    »Was?« Ihn interessierten die Saurierknochen.
    »Vielleicht ist sie hierhergekommen, um der Kälte zu entfliehen«, sagte ich. »Man kann sich hier den ganzen Tag aufhalten und die Fossilien ansehen. Solange man keine Sonderausstellung anschauen will, kostet es nichts.«
    »Du glaubst also, daß Gault sie hier kennengelernt hat?« Er blickte skeptisch drein.
    »Ich weiß nicht«, sagte ich.
    Ziegelschornsteine ragten öde in den Himmel, und hinter den Leitplanken des Queens Expressway standen triste Gebäude aus Beton und Stahl.
    Unser Taxi fuhr vorbei an deprimierenden Wohnblocks und Läden, die geräucherten und gepökelten Fisch oder Marmor und Kacheln verkauften, an Stacheldrahtzäunen, an Müllhaufen auf der Straße und an Bäumen, in denen sich Abfall verfangen hatte. Wir waren unterwegs nach Brooklyn Heights zur Zentrale der Transit Police in der Jay Street.
    Ein Beamter in marineblauer Uniformhose und dazu passendem Pullover führte uns zu den Büroräumen von Frances Penn. Sie war so rücksichtsvoll gewesen, für Kaffee und Weihnachtsplätzchen auf dem kleinen Tisch zu sorgen, an dem wir über einen der grausigsten Morde in der Geschichte des Central Park sprechen sollten.
    »Guten Tag«, sagte sie und schüttelte uns fest die Hand. »Bitte, setzen Sie sich. Die Plätzchen haben so gut wie keine Kalorien. Captain,

Weitere Kostenlose Bücher