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Die tote Stadt: Frankenstein 5: Roman (German Edition)

Die tote Stadt: Frankenstein 5: Roman (German Edition)

Titel: Die tote Stadt: Frankenstein 5: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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man die Deckenbeleuchtung von der Straße aus nicht gesehen. Sully schlug trotzdem nicht vor, Licht zu machen, und Bryce nahm an, er befürchtete vielleicht, die Helligkeit könnte den Inhalt der Kokons in Aufregung versetzen. Vielleicht machte er sich aber auch Sorgen, der Knall, mit dem er das Schloss aus der Tür geschossen hatte, könnte von den falschen Leuten gehört worden sein – die nicht wirklich Leute waren –, und jetzt umkreisten sie das Gebäude, um nachzusehen. Sie waren stillschweigend miteinander übereingekommen, den Strahl der drei Taschenlampen nach unten und nicht auf die Fenster zu richten.
    Überall in der Großküche waren Anzeichen von Gewalttätigkeit zu erkennen. Umgekippte Geräte, verstreut herumliegende Töpfe und Pfannen, zerbrochenes Geschirr. Das Küchenpersonal hatte sich offenbar zur Wehr gesetzt.
    In der Nähe einer Reihe von übereinander installierten Backöfen doppelter Breite fiel der Strahl von Bryce’ Taschenlampe auf eine abgetrennte Hand. Fast hätte er den Lichtstrahl angewidert davon abgewandt, doch unterbewusst nahm er wahr, dass etwas an dieser abgehackten Extremität noch schockierender war als die bloße Tatsache ihrer Existenz. Er brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass die Hand anstelle eines Daumens mit einem großen Zeh ausgestattet war, nicht mit einem, den ein psychotischer Scherzkeks an die Hand getackert hatte, sondern mit einem Zeh, der anscheinend ganz von selbst da gewachsen war, wo ein Daumen hätte sein sollen.
    Dieser Tag war schon vor vielen Stunden aus den Gleisen der Realität gesprungen, und Bryce erwartete nicht mehr, dass zwei und zwei immer vier sein würde. Dennoch markierte diese abgetrennte Hand eine scharfe Abzweigung in noch seltsamere Gefilde als die, die er seit dem Moment erkundet hatte, als er im Krankenhaus die schwachen, fernen Entsetzens- und Schmerzensschreie gehört hatte, die durch die Rohrleitungen und den Luftschacht aus dem Keller in sein Badezimmer aufgestiegen waren.
    Und jetzt erkannte er, dass diese Hand noch mehr bizarre Züge aufwies als nur den Zeh, der fehl am Platz war. Im fleischigsten Teil der Handfläche befand sich eine halb herausgebildete Nase: der Nasensteg, die Spitze, ein einziges Nasenloch, aus dem ein paar Haare wuchsen, ein klei ner Teil des Nasenrückens. Die unvollständige Nase war bis ins kleinste Detail so gut gearbeitet, dass er damit rechnete, jeden Moment zu sehen, dass die Haare beim Ausatmen zitterten.
    Er war zu alt für das, was hier geschah. Er war zweiundsiebzig. Renata, seine Frau, war vor achtzehn Monaten gestorben, und er war jetzt ein unermesslich viel älterer Mann als zu dem Zeitpunkt, uralt und erschöpft. Ein Leben ohne sie war auf seine Weise nicht weniger zermürbend als ein Leben ohne Nahrung; es war einfach nur eine andere Art des Verhungerns. Als er diese makabre Hand fand, wollte er nach Hause, sich auf dem Bett zusammenrollen und auf der Seite liegen, damit er die gerahmte Fotografie von Rennie auf seinem Nachttisch sehen konnte, wenn er einschlief, und von ihm aus konnte die Welt bis in die tiefste Hölle stürzen, wenn das der Lauf der Dinge war.
    Nur eines hielt ihn davon ab, diesen Weg zu wählen und zur Tat zu schreiten – beziehungsweise zur Untätigkeit: Travis Ahern. Er sah in diesem Jungen jemanden, der so war, wie es der junge Bryce Walker zu seiner Zeit gewesen war. Er wollte, dass Travis überlebte, um seine eigene Renata zu finden, um die Arbeit zu entdecken, für die er geboren war, und die Befriedigung zu erleben, die es mit sich brachte, seine Sache gut zu machen. Ihm und Rennie war es nie vergönnt gewesen, Kinder zu haben, aber jetzt war er durch eine Fügung des Schicksals für ein Kind verantwortlich.
    Bryce zögerte so lange mit dem Blick auf diese vierfingrige Mutation, dass sowohl Travis als auch Sully sie sahen und neben ihm stehen blieben, um sich Gedanken darüber zu machen. Keiner von ihnen äußerte sich zu der Hand, aber nicht etwa, weil ihr Flüstern die Bewohner der Kokons in Aufregung hätte versetzen können, sondern weil es keine Worte gab, die diesem Moment angemessen waren.
    An dem Ende der Küche, das am weitesten von dem Punkt entfernt lag, an dem sie hereingekommen waren, führte eine Tür zu einem Raum, von dem Travis, der oft mit seiner Mutter hier gewesen war, ihnen sagen konnte, dass es sich um eine geräumige Speisekammer handelte. Ein hoher, schwerer Stahlschrank, der an der gegenüberliegenden Wand gestanden hatte, war bei dem

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