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Die Tote vom Johannisberg

Die Tote vom Johannisberg

Titel: Die Tote vom Johannisberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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Entschluß fest: Ich mußte noch einmal an Regina Berg herankommen. Ich brauchte Geld.
    Und einen neuen Fernseher!
    *
    Freitagabend gegen halb acht verließ ich das Haus. Ich hastete in der Dunkelheit hinunter in die Stadt. An der Schwebebahnhaltestelle Ohligsmühle überquerte ich die Wupper.
    Mein Ziel war die Historische Stadthalle am Johannisberg - Schauplatz des Konzerts. Bald war das Gebäude zu sehen. Festlich leuchteten die riesigen Fenster unter den markanten eckigen Türmen.
    Während ich mich zum Johannisberg hinaufquälte, fiel mir ein, daß ich nun zum ersten Mal in meinem Leben ein klassisches Konzert besuchen würde - und dafür alles andere als passend gekleidet war. Ich trug eine verwaschene Jeans, einen dunklen Pullover und darüber ein verbeultes dunkelbraunes Sakko, das ich schon vor fünf Jahren im Secondhand-Laden gratis zum Einkauf dazubekommen hatte.
    Ich war noch nie in der Stadthalle gewesen, aber wie jeder Wuppertaler kannte ich sie natürlich. Immerhin hatte die Presse monatelang über die Restaurierung des fast hundert Jahre alten Gebäudes berichtet.
    Ich betrat das Foyer - und kam mir vor, als habe mich eine Zeitmaschine in eine andere Epoche versetzt. Schwere Leuchter hingen von der gewölbten Decke, die von Säulen aus schwarzem Marmor mit goldenen Kapitellen getragen wurde. Hölzerne dunkle Theken zogen sich vor der Garderobe über die Längsseite des Raumes - nur unterbrochen vom Eingang zum hell erleuchteten großen Saal, durch den die Besucher zum Konzert strömten. Für eine Sekunde dachte ich, hier müßten die Herren in Frack und Zylinder herumlaufen, die Damen in schwarzer Seide mit Turnüren.
    Die Vision vom späten neunzehnten Jahrhundert verging jedoch sofort. Das Publikum war sogar recht jung. Man trank an den runden Stehtischen Sekt oder Wasser, man besorgte sich neben dem Eingang noch schnell ein Programmheft und fischte in der Geldbörse nach Kleingeld. Ich schloß mich dem Besucherstrom an, passierte die Kartenkontrolle - und befand mich in einem der schönsten Räume, die ich je gesehen hatte.
    über dem hell glänzenden Parkett erhoben sich Säulenreihen, darüber war eine großzügige breite Brüstung mit weiteren Plätzen. Mein Blick folgte den prächtigen Verzierungen, und ich sah in einen gemalten Himmel, aus dem inmitten einer riesigen Rosette ein monumentaler Kronleuchter wuchs. Die Wände waren in einem cremefarbenen Ton gehalten und verschwenderisch mit matten Goldborten und blaßgrünen Blattmustern geschmückt. Rund um die Bühne, die den vorderen Bereich des Raumes beherrschte, war ein goldener Kranz gemalt, der eine riesige Orgel umrahmte.
    Das gewaltige Instrument mit seinen silbernen Pfeifen und dem rötlichen Holz sah aus wie ein Altar, den ein extravaganter moderner Künstler ersonnen hatte. Darunter, sozusagen zu Füßen der Orgel, befand sich das Orchesterpodium, auf dem akkurat aufgebaute Pulte und Stühle auf die Musiker warteten.
    Ich ging an den langen Stuhlreihen entlang und fand meinen Platz. Er lag ziemlich weit hinten, aber so hatte ich den Saal wunderbar im Blick. Unablässiges Gemurmel war zu hören, schließlich unterbrochen von metallischen Geräuschen, als die Türen geschlossen wurden. Fast im gleichen Moment kam das Orchester auf die Bühne: schwarzgekleidete Musiker und Musikerinnen, im Frack die Herren, im Kleid die Damen. Die meisten mit einem Instrument in der Hand.
    Applaus brandete auf und verebbte schnell wieder. Ein einzelner näselnder Ton eines Blasinstruments fand seinen Weg durch den Raum, worauf das Orchester ein großes Durcheinander anhob: Man stimmte ein.
    Dann wurde es so plötzlich still, als habe jemand ein geheimes Zeichen gegeben. Reglos saßen die Musiker auf den Plätzen, das Publikum schien einen Moment den Atem anzuhalten.
    Wieder Applaus. Jemand suchte sich seinen Weg zwischen den sitzenden Musikern hindurch. Es war der Dirigent. Mit jedem Schritt schien sein Gang aufrechter, zielsicherer zu werden. Ein kleiner Sprung, und er stand auf seinem Podest, vor dem bereits ein Pult mit der Partitur stand. Er schüttelte dem vorderen Geiger zu seiner Linken die Hand, verbeugte sich lächelnd mehrmals unter großem Beifall. Mit einer eleganten Bewegung strich er sich die grauen Haare zurück und kehrte dem Publikum den Rücken zu. Das Klatschen erstarb augenblicklich. Ein paar Winke des Dirigenten, und die Musik begann.
    Ich habe keine Ahnung von Klassik, aber das Stück gefiel mir. Es begann festlich, pompös -

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