Die Tote von Buckingham Palace
Phipps.«
Mit einem Mal wurden Gracies Knie weich, und sie sank in einen weit tieferen Knicks, als sie beabsichtigt hatte. Sie wäre gar nicht wieder auf die Beine gekommen, wenn sie sich nicht an Pitts Arm hochgezogen hätte.
Pitt blieb stehen, wo er war.
Der Kronprinz sah ihn mit leichtem Groll an. Pitt holte tief Luft. Der Augenblick war gekommen. »Ich bedaure, Ihnen mitteilen zu müssen, Sir, dass Mr Forbes die Bahnlinie nicht bauen wird«, sagte er.
»Lassen Sie den Unsinn, Sir«, fuhr ihn der Prinz an, »und treten Sie zurück. Zwingen Sie mich nicht, Sie hinausführen zu lassen. Das wäre für Sie äußerst peinlich.«
»Mr Forbes hat Sie getäuscht«, fuhr Pitt fort. Jetzt zitterte seine Stimme, aber sie war laut genug, dass alle im Saal hören konnten, was er sagte. Stand er im Begriff, sich und seine Angehörigen zugrunde zu richten? »Nicht nur hat er vor Zeugen die feste Überzeugung ausgedrückt, dass ein solches Vorhaben Afrika und dessen Bewohnern schaden würde, er hat auch sein gesamtes Vermögen in die Schifffahrt investiert. Der einzige Grund, warum er das Projekt leiten möchte, ist sein Wunsch, dessen Erfolg zu sabotieren. Bedauerlicherweise ist er außerdem für einen in Afrika begangenen Mord verantwortlich, wie auch für den, mit dessen
Aufklärung Ihre Königliche Hoheit den Staatsschutz beauftragt hatte. Wenn die Lösung des Falles früher möglich gewesen wäre, hätten wir damit nicht bis zu diesem späten Zeitpunkt gewartet. Das tut mir äußerst leid, Sir.«
Auf dem aschgrauen Gesicht des Prinzen zeichneten sich zwei rote Flecken ab. »Was für ein Spiel treiben Sie eigentlich, zum Teufel?«, zischte er. »Mr Forbes war nicht einmal im Palast, als die Frau umgekommen ist, Sie Schafskopf! Und von was für einem Mord in Afrika faseln Sie da? Haben Sie vollständig den Verstand verloren?«
»An seinem eigenen Sohn, Sir«, sagte Pitt, so gleichmütig er konnte. »Eden Forbes. Betrüblicherweise war er geistesgestört und hat in Kapstadt eine Prostituierte getötet, eine Mulattin. Im Bewusstsein dessen, dass es eine zwanghafte Handlung war, die kein Einzelfall bleiben würde, hat Mr Forbes ihn selbst gerichtet, weil er ihn keinem öffentlichen Verfahren aussetzen und ihn nicht hängen lassen wollte.«
Der Prinz stand reglos da.
Watson Forbes fuhr herum und trat auf Pitt zu. Liliane Quase stellte sich zwischen die beiden und sah ihren Vater an. Er erkannte in ihren Augen Kummer, Wut und rückhaltlose Treue zu ihrem Mann.
Im prunkvollen Saal herrschte völlige Stille. Alle standen dort wie bei einem lebenden Bild, jeder mitten in seiner Bewegung erstarrt.
Gracies Nägel gruben sich tief in Pitts Arm.
Er spürte, wie ihm der Schweiß am ganzen Körper ausbrach und es ihn im nächsten Augenblick kalt überlief.
Narraway erwachte als Erster aus seiner Erstarrung. Er trat neben Pitt, verbeugte sich tief vor dem Prinzen und sagte: »Der Fall ist abgeschlossen, Königliche Hoheit. Der Ruf der Schuldlosen ist wiederhergestellt, der Schuldige ist zweifelsfrei ermittelt und wird jetzt festgenommen. Es ist mir ausgesprochen unangenehm, dass das in Ihrer Gegenwart nötig war. Wir alle hätten es weit lieber gesehen, wenn Ihnen dieser Kummer erspart geblieben wäre.«
Daraufhin trat die Prinzessin von Wales vor, hängte sich bei ihrem Gemahl ein und sah Pitt mit gehobenen Brauen an.
»Ich bedaure das zutiefst, Ma’am«, entschuldigte er sich. »Es war mir unmöglich, zuzulassen, dass Seine Königliche Hoheit einen Menschen ernannte, dessen wahres Wesen ihm unbekannt war. Irgendwann hätte sich das zu seinen Ungunsten ausgewirkt.«
»Ein unglücklicher Zeitpunkt, Sir«, sagte die Prinzessin knapp. »Aber ich denke, es ist besser, derlei spät zu erfahren als nie. Sie können jetzt gehen und Ihre Aufgabe beenden. Seine Königliche Hoheit ist Ihnen zu großem Dank verpflichtet.«
Pitt verneigte sich erneut. »Ma’am.« Dann wandte er sich gehorsam um und ging, im Bewusstsein, dass ihm der Kronprinz mit den Augen auf dem ganzen Weg bis zu den hohen Flügeltüren folgte. Er würde ihm weder vergessen noch verzeihen, dass er seiner Eigenliebe dort im Thronsaal vor dem versammelten Hofstaat und seinen künftigen Ministern einen solchen Stoß versetzt hatte.
»Da kommt er nich’ drüber weg«, flüsterte Gracie, als sie wieder im Vorzimmer waren. »Aber Se ha’m das richtig gemacht.« Sie holte tief Luft und lächelte ihm von unten zu. »Das hab ich gleich gewusst.«
»Danke, Gracie«,
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