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Die Tote von San Miguel

Die Tote von San Miguel

Titel: Die Tote von San Miguel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Woods
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Art-déco-Stil gehaltene Ledersessel vor einem wuchtigen viktorianischen Schreibtisch. Dahinter entdeckteDiaz einen Computertisch, der von teurer Elektronik geradezu überquoll.
    Dillinger deutete auf einen der Sessel. Diaz blieb stehen.
    »Ein komfortabel eingerichtetes Haus, señor Dillinger«, sagte er. »Ihre Geschäfte müssen sehr gut laufen.«
    »Etwas zu trinken?«, erkundigte sich Dillinger statt einer Antwort.
    »Einen Mezcal, falls Sie so was haben.«
    Dillinger trat an eine Minibar zwischen zwei Glasschränken. »Ich denke, Sie werden den hier bemerkenswert finden. Er kommt aus einem namenlosen Bergdorf außerhalb von Oaxaca.« Er reichte Diaz ein mundgeblasenes Schnapsglas mit einer lederfarbenen Flüssigkeit.
    Diaz trank einen Schluck. »Sehr sanft.« Er legte eine kurze Pause ein, bevor er hinzufügte: »Ich erwarte gleich Montag früh eine Kiste davon in meinem Büro.« Er begleitete seinen Flirt mit der mordida , einer von vielen blumigen Bezeichnung für Schmiergeld in Mexiko, mit einem Lächeln.
    Als er keine Antwort von Dillinger erhielt, beugte er sich über den nächsten Wandschrank und schaute durch die Glastür. Der Schrank war bis zum Bersten mit allerlei Krimskrams und Kuriositäten gefüllt. Schnupftabakdosen aus Ebenholz und Silber. Schmiedeeiserne Sparschweinchen. Tierschädel. Indianerschmuck aus Federn und Perlen. Silberne Zigarettenetuis mit den eingravierten Initialen ihrer früheren Besitzer. Ein aztekisches Ritualopfermesser mit Obsidianklinge. Zwei alte Schreibmaschinen, von denen Hemingway die eine und Leonardo da Vinci die andere benutzt haben mochte. Eine Sammlung exotischer Falter, in einem Schaukästchen aufgespießt. Und zu guter Letzt eine Duffy-Duck-Lunchbox.
    »Wie ich sehe, haben Sie einen Sammlertick, Dillinger.«
    »Ich kaufe alles, was mich interessiert, wenn ich durch Flohmärkte und Antiquitätengeschäfte schlendere. Eine Form der Freizeitgestaltung.« Dillinger schwieg einen Moment lang. »Können wir vielleicht noch vor Mitternacht zum Frage-und-Antwort-Spiel kommen? Ich habe nämlich noch andere Verpflichtungen.«
    Diaz setzte sich in einen Sessel; Dillinger blieb stehen.
    »Zuerst  …« Diaz hielt mitten im Satz inne, als er ein Frauengesicht bemerkte, das körperlos hinter einer der Glastüren zu schweben schien und durch die Scheibe spähte. Rote Lippen, hohe Wangenknochen, eine rustikale Schönheit. Gleich darauf war sie auch schon wieder verschwunden.
    Dillingers Frau? Diaz hielt Dillinger eher nicht für einen Familienmenschen. Also eine Freundin? Oder einfach nur ein Flittchen für den Sonntagnachmittag? Dillinger schien ihm mehr der Typ für Letzteres zu sein.
    »Inspector?«
    »Oh, entschuldigen Sie. Was ich Sie fragen wollte, ist … Gestern Abend haben Sie gesagt, die Galería Rana sei nur ein Nebenzweig Ihrer Unternehmungen. Ich habe mich gefragt, in welcher Branche Sie tätig sind.«
    »Habe ich das gesagt?«, fragte Dillinger und fügte gereizt hinzu: »Sind Sie nur hierhergekommen, um das zu klären?«
    »Sí.«
    Einen Moment lang loderten Dillingers Augen wie ein vom Wind angefachter Steppenbrand auf, doch seine Wut verflog genauso schnell wieder, wie sie aufgeflammt war. »Freizeit und Entspannung. Das ist meine Branche. Sowohl für gringos als auch für reiche mexicanos . Ich besitze zwei Hotels und drei Restaurants in San Miguel.« Er nannte Diazdie Namen, darunter das Restaurant, in dem Diaz und Consuela Margaritas getrunken hatten. Alle Hotels und Restaurants gehörten zur gehobenen Kategorie.
    »Ich hoffe, der Mord an der gringa hat nicht zu einem Umsatzrückgang geführt«, sagte Diaz.
    »Bisher noch nicht. Ich rechne allerdings auch mit einer baldigen Verhaftung, bevor sich der nächste Mord ereignen kann.«
    »Sie glauben, dass es einen weiteren Mord geben könnte? Was macht Sie so sicher?«
    »Die Grausamkeit, mit der der erste ausgeführt worden ist. Seine Kunstfertigkeit scheint mir für einen Serienmörder zu sprechen.«
    »Kunstfertigkeit. Eine hübsche Umschreibung.« Diaz lachte krächzend in Dillingers Schweigen hinein.
    »Nächste Frage«, sagte Dillinger knapp.
    »Ich brauche den Namen irgendeiner Person, die bezeugen kann, wo Sie sich am Donnerstag zwischen Mitternacht und zwei Uhr morgens aufgehalten haben.«
    Dillinger stapfte wütend durch den Raum, fuhr plötzlich herum und lehnte sich gegen eine Kante des viktorianischen Schreibtischs. Seine Hände spielten mit einem heimtückisch aussehenden Nazidolch, der die

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