Die Tote von San Miguel
servierte.
Diaz setzte sich auf einen Barhocker.
»Inspector, welche Freude, Sie zu sehen. Was kann ich Ihnen bringen?«
Diaz bestellte eine cerveza und einen Teller chicharrónes , die er mit dem Saft von mehreren ausgepressten Limettenschnitz beträufelte und anschließend mit Chilipulver würzte.
»Und, wie sieht es aus in Sachen Recht und Gesetz?«, erkundigte sich Paco. »Scheinen unsichere Zeiten zu sein, nach allem, was ich so lese.«
Diaz zuckte die Achseln. Es war ein Tag für unverbindliche Gesten. Alles wirkte irgendwie vage, verschwommen. Wie ein Bild, das man durch die falsche Brille betrachtete.
Aus einer dunklen Ecke der bodega klang ausgelassenes Gelächter auf. Als Diaz einen Blick hinüberwarf, sah er, wie sich gerade zwei Personen von einem rustikalen Holztisch erhoben, die eine klein und schmal, die andere groß und breitschultrig. Der Mann schien nach der Frau zu grabschen, die ihn heftig von sich stieß.
Eine Dame in Bedrängnis? Diaz’ Herzschlag beschleunigte sich.
»Lass das!«, rief die Dame. Der Unhold wich zurück, stolperte über die Bank hinter ihm und fiel zu Boden. Eine schöne Frau trat in strahlendem Triumph aus der Dunkelheit ins Licht und näherte sich Diaz, der nur noch Augen für die unbekümmert und wie liebestoll unter ihrem Kleid hüpfenden Titten und das wissende Lächeln hatte, das ihre Lippen umspielte. Eine Bergkristallbrosche im tiefen Ausschnitt ihres knappen schwarzen Kleides funkelte wie ein Versprechen für wollüstiges Vergnügen.
Diaz kannte ihr Gesicht nur zu gut, hatte es mehr als nur einmal aus nächster Nähe betrachtet und ihrem kehligen Stöhnen gelauscht, während er sie mit hämmernden Stößen seiner jugendlichen Hüften bearbeitet hatte. Er erinnerte sich an jede einzelne Pore, jeden Hautfleck, jede Aknenarbe. Sie war wirklich eine wunderbare Matratze gewesen. Aber ihr Name wollte ihm nicht mehr einfallen. Alicia? Oder hieß sie Alita? Er hatte ein wahrhaft katastrophales Namensgedächtnis.
»Sieh mal einer an, wenn das nicht der finstere Hector Diaz ist«, begrüßte sie ihn. »Hast du den Kopf immer noch nicht in einen Gasherd gesteckt?«
»Wie es aussieht, nicht.«
Sie umarmten einander. Ihre Brüste, die sich an ihn schmiegten, schienen ein Eigenleben zu entwickeln, wie zwei freche Albinokaninchen mit rosa Nasen.
»Erlaube mir, dir einen Drink zu spendieren«, sagte Diaz.
Der gestürzte Halunke war inzwischen wieder auf die Füße gekommen und verließ die bodega durch den Haupteingang, doch nicht, ohne Diaz zuvor noch mit einem starren Blick seiner eiskalten Augen geradezu abzuschlachten. »Ich sehe dich später, Alita«, knurrte er leise.
»Was für ein Arschloch«, sagte Alita. Sie pflanzte sich auf den Hocker neben Diaz.
»Das klang wie eine Drohung«, stellte er fest. »Vielleicht benötigst du ja Polizeischutz.«
»Oh, Hector.« Sie umfasste sein Gesicht mit beiden Händen, zog es zu sich heran und küsste ihn voller Hingabe. Dann ließ sie ihn genauso schnell wieder los und trank einen großen Schluck von der obligatorischen Rum-Cola, die Paco vor ihr auf dem Tresen abgestellt hatte.
»Und … wie läuft’s so bei dir, Alita?«, fragte Diaz.
»Das Leben ist scheiße, und am Ende stirbt man.«
»Ich weiß, was du meinst.«
Er kaute auf einer chicharróne herum. Paco polierte ein kelchförmiges Glas. Die Zeit hing wie ein Räucherschinken aus der Ewigkeit herab. Die Nacht kroch durch die Eingangstür der bodega , als wäre sie ein Nagetier mit scharfen Zähnen.
»In letzter Zeit irgendwelche bemerkenswerten Fälle gelöst?«, erkundigte sich Alita.
»Momentan geht bei mir alles ein bisschen durcheinander.«
»Also hat sich nichts verändert, seit wir das letzte Mal rumgemacht haben.« Sie legte ihm eine Hand aufs Knie und drückte es. Die Geste jagte Diaz einen Schauer durch Mark und Bein. Er trank ganz lässig einen Schluck von seinem Bier.
»Ich denke, so könnte man es zusammenfassen«, bestätigte er, plötzlich niedergeschlagen. »Möchtest du etwas essen?«
»Warum nicht? Das ist alles, was ich heutzutage tue. Essen und ficken.« Alita betrachtete ihn mit einem lüsternen Grinsen. »Paco macht einen Fischeintopf, für den es sich zu sterben lohnt.«
»Mir ist nicht nach Sterben zumute. Eher nach einem bluttriefenden Steak.«
»In diesem Fall müssen wir woanders hingehen.«
Kurz darauf saßen sie auch schon in Diaz’ Wrangler und holperten über die unregelmäßig gepflasterten Straßen. Müssten wir die
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