Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tote von San Miguel

Die Tote von San Miguel

Titel: Die Tote von San Miguel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Woods
Vom Netzwerk:
nach Staub und Schimmelpilzen.
    Während er es um zwei Finger rotieren ließ, überlegte er, ob er es Dr. Nicholas Moza bringen und von ihm in Guanajuato untersuchen lassen sollte. Doch es konnte Tage oder sogar Wochen dauern, bis er die Ergebnisse bekam. Und was würde eine Laboranalyse bestenfalls beweisen können? Dass Amanda Smallwood ein Stück Unterwäsche in Gregorowitschs Unterschlupf zurückgelassen hatte. Und wie würdeer dastehen, wenn sich herausstellte, dass es nicht einmal ihr Höschen war? Dass es möglicherweise sogar einer Mörderin gehörte?
    Einen Moment lang ließ er es über dem Papierkorb baumeln. Dann überlegte er es sich anders und verstaute es in der untersten Schublade seines Schreibtischs hinter einer veralteten Strafgesetzsammlung.
    Auf dem Weg nach draußen machte er in der Toilette Station, um sich die Hände zu waschen. Da wie üblich die Papierhandtücher in dem Spender fehlten, trocknete er sich die Finger mit seinem Stofftaschentuch ab. Anschließend verriegelte er gewissenhaft die Eingangstür, den Rücken der Straße zugewandt, während er mit dem Schlüssel hantierte.
    Eine Schuhsohle kratzte über Stein. Diaz wirbelte in der Erwartung herum, dass es Morales war, der sich auf ihn stürzte, vor Rachedurst brennend, nachdem er eine Stunde lang in der Dunkelheit auf der Lauer gelegen hatte. Doch es war nur ein verirrter Säufer auf dem Heimweg von der fiesta .
    Diaz wanderte durch die dunklen Straßen und ließ den Lärm der feiernden Menschen im jardín hinter sich zurück. Als er die Tür zu seiner Wohnung aufschloss und das Licht einschaltete, kam er sich wie ein Eindringling vor. Was tat er hier überhaupt? Eigentlich verspürte er das Bedürfnis, irgendwo unter vielen ausgelassenen Leuten zu sein, um nicht länger an das tote Mädchen denken zu müssen und dieses merkwürdige Gefühl loszuwerden, ihr verpflichtet zu sein. An einem Ort, wo sich die Menschen in drei Reihen vor dem Tresen drängten und der Barkeeper Blut und Wasser schwitzte, weil er kaum mit den Bestellungen hinterherkam und er auch noch entdeckte, dass ihm irgendwer ein Glas mit Lippenstiftflecken ins Regal geschmuggelt hatte.
    Ortiz würde in Begleitung des tätowierten Models aus dem Instituto da sein, das vermutlich eine rauchige, von unzähligen Zigaretten heisere Stimme hatte. Auch Quevedo war gekommen, erschöpft von zu vielen Stunden der Überprüfung diverser Verdächtiger. Vielleicht sogar Felicia, die sich bemühte, von den anderen als Teil der Truppe akzeptiert zu werden. Jeder Polizist würde eine Runde schmeißen, während das Model verstohlen die Hand über Diaz’ Schritt gleiten und die Vinylverlängerungen ihrer Fingernägel über seinen Reißverschluss ratschen ließ, unbemerkt von Ortiz, der einen Moment lang abgelenkt war, weil er gerade einen langen schmutzigen Witz zum Besten gab, in dem es um eine Platinblondine, einen Pinguin und einen Priester ging …
    Diaz sehnte sich danach, nicht länger an tote Mädchen und verschwundene Väter denken zu müssen. An das Echo leerer Zimmer.
    Seufzend betrat er die Wohnung und verriegelte die Tür hinter sich. Dann duschte er so lange, bis das heiße Wasser ausging. Danach legte er sich in Jeans und einem Sweatshirt auf die Couch und trank mit geschlossenen Augen langsam und genüsslich seinen Lieblingsmezcal auf Eis aus einem Kognakschwenker.
    Mehrere Stunden später wurde er durch den beharrlichen Lärm seines Mobiltelefons geweckt. Die Geheime Geschichte , in der er gelesen hatte, fiel zu Boden. Laut seiner zuverlässigen Rolex war es zwanzig nach eins. Er erinnerte sich verschwommen daran, mit seinen Kollegen in einer Bar getrunken zu haben. War es lediglich ein Traumfragment? Oder die Erinnerung an einen Schnappschuss, den irgendjemand irgendwann mit der Kamerafunktion eines Mobiltelefons gemacht hatte?
    Aus dem kleinen Lautsprecher drang Ortiz’ Stimme. Sie wären hungrig und erschöpft, jammerte er. Und hätten mittlerweile die Hoffnung aufgegeben. Ihre ergebnislose Suche hätte sie durch dreißig Bars, cantinas , bodegas , Lounges, Privatclubs und pulque -Schuppen geführt, alle gerammelt voll mit Säufern, Aufreißern und dem letzten Abschaum. Dreimal wären sie zum Hotel zurückgekehrt, aber Bass Smallwood blieb verschwunden, als wäre er durch einen Riss im Universum gefallen.
    »Okay«, sagte Diaz. »Ich möchte, dass Armando gleich morgen in aller Frühe wieder ins Hotel fährt. Falls Smallwood dann wieder aufgetaucht ist, soll Armando

Weitere Kostenlose Bücher