Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tote von San Miguel

Die Tote von San Miguel

Titel: Die Tote von San Miguel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Woods
Vom Netzwerk:
in Erinnerung, die im Laufe der Zeit mehr Gefallen am Trinken als am Servieren von Assen gefunden hatte. Eine durchgeknallte gringa , die gratis in einer baufälligen estancia in San Miguel wohnte –  mit eigenem roten Aschetennisplatz  –, deren Besitzer einer ihrer Stiefonkel war, den sie gelegentlich vögelte. Ihr Verlangen nach einem viertel Stoli täglich hatte sich schließlich zwischen sie und Diaz gedrängt.
    Dann war da Alejandra, die es ausschließlich für Bares machte. Keine Peitschen, Ketten oder Handschellen, keine Messer oder Olivenölmassagen. Alles andere wie es einem beliebte. Sie lebte mittlerweile in Cuernavaca. Diaz fragte sich, ob sie wohl Reyna kannte. Vielleicht tauschten sie gemeinsame Tricks und Tipps aus. Oder sie verglichen am Morgen danach diverse sexuelle Vorlieben ihrer Bekanntschaften bei einer Tasse café con leche im Schatten eines Eukalyptusbaums.
    Felicias Nummer rollte in das Sichtfenster. Lass die Finger davon , dachte er, während sein Daumen im nächsten Moment auf die grüne Wahltaste drückte, als besäße er seinen eigenen Willen.
    Sie meldete sich beim zweiten Klingeln. »Goya.«
    » Hola . Wie geht’s dir?«
    »Ganz okay, denke ich.«
    »Irgendwelche Neuigkeiten, was unsere Ermittlungen betrifft?«
    »Wenn ja, weiß ich nichts davon, jefe  …« Diaz stellte sich vor, wie sie verblüfft die Stirn runzelte, während sie schwieg. »Ich meine …«, stotterte sie, »… ich hätte dir Bescheid gesagt … du würdest längst alles wissen, was irgendwie von Bedeutung sein könnte.«
    »Das stimmt nicht immer. Manchmal bin ich der Letzte, der bestimmte Sachen erfährt.«
    Lag der Grund dafür an mangelndem Vertrauen innerhalb der Abteilung? Oder einfach nur an kleinlicher Inkompetenz? »Ich habe gerade zum zweiten Mal mit Brian Dillinger gesprochen«, sagte er. »Das ist der Besitzer der Galerie, deren Künstler Amanda als Model benutzt haben.«
    »Ich weiß, wer Dillinger ist«, erwiderte Felicia kühl. »Es ist Sonntagabend«, fügte sie hinzu. »Gibst du denn niemals Ruhe?«
    »Eigentlich ist das der Grund, warum ich anrufe. Wenn du gerade nichts anderes vorhast, könnten wir uns auf einen Drink treffen.«
    »Und über den FALL sprechen, meinst du?« Sie brachte es irgendwie fertig, das Wort »Fall« in Großbuchstaben auszusprechen. Ihre Ironie kam so subtil wie eine Dampfwalze daher.
    »Komm einfach rüber und trink was mit mir. Vielleicht können wir auch eine Kleinigkeit zusammen essen. Uns etwas besser kennenlernen.«
    »Hältst du das wirklich für eine gute Idee? Du bist derjenige, der die abschließende Empfehlung für meine Einstellung bei den Judiciales geben muss. Ich möchte nicht, dass sich irgendwer vorstellt …«
    Dass du dich die Karriereleiter hinaufgefickt hast , vervollständigte Diaz ihren unterbrochenen Satz in Gedanken.
    »Der Himmel bewahre«, sagte er. »Das ist nur eine Gelegenheit, um unser Arbeitsverhältnis zu vertiefen. Sonst soll mich der Teufel holen.«
    »Ich denke, ich lehne lieber ab.«
    »Ich fände es aber furchtbar, wenn du einen schönen Sonntagabend verschwendest.« Trug er vielleicht zu dick auf?
    »Ich habe wirklich noch ein paar andere Dinge zu erledigen. Wir sehen uns dann Montag wieder.«
    Die Verbindung brach ab.
    Ich bin ein Idiot , dachte Diaz. Er warf das Telefon auf den Beifahrersitz. Felicia hatte absolut und ohne jede Frage recht damit gehabt, sein Angebot eines Rendezvous zurückzuweisen. Es war praktisch eine Einladung gewesen, sich freiwillig nach Art der alten Azteken köpfen zu lassen.
    Diaz startete den Motor und fuhr den Wrangler über die  steilen Straßen zum höchsten Punkt der Stadt. In der Nähe der Stierkampfarena gab es eine kleine bodega , die er manchmal besuchte. Dort wurde ein hervorragender Fischeintopf serviert. Außerdem waren immer einige exklusive Mezcals erhältlich, um bis spät in die Nacht zu trinken.
    Paco, der Besitzer des Tio , stand hinter der Kasse und wischte sich die fleischigen Pranken an einer nicht mehr ganz sauberen Schürze ab. Ein dünner Schweißfilm ließ seinen kahlen Schädel glänzen. Immer wenn sich genug Schweiß auf seiner Stirn gesammelt hatte, lief ihm ein dicker Tropfen im Slalom die Fleischwülste seines Gesichts hinunter bis zur Nasenspitze. Dort hing der Tropfen dann eine Weile in der Schwebe wie ein olympischer Turmspringer, bevor er, der Schwerkraft folgend, in die Schüssel mit Fischeintopf oder in irgendeine andere Delikatesse fiel, die er gerade einem Gast

Weitere Kostenlose Bücher