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Die Tote von San Miguel

Die Tote von San Miguel

Titel: Die Tote von San Miguel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Woods
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ihn dort festhalten, bis ich da bin. Ist das klar?«
    Er konnte hörten, wie Ortiz seine Anweisungen für die Kollegen im Hintergrund wiederholte. »Und, Ortiz …«
    »Sí.«
    »Hast du nicht morgen Bereitschaftsdienst?«
    »Sí.«
    »Schön, da drei Viertel der Stadt verkatert sein werden, dürfte es ziemlich ruhig sein. Ich wünsche dir einen erholsamen Sonntag.«
    »Danke, Hector«, erwiderte Ortiz. »Ich dir auch.«
    Diaz wurde immer misstrauisch, wenn Ortiz den verständnisvollen Kameraden herauskehrte. War es nur Sarkasmus, oder wollte er ihn vielleicht für irgendeine unerfüllbare Forderung weichklopfen, wie zum Beispiel eine Gehaltserhöhung oder eine Woche Urlaub? »Möchtest du sonst noch irgendwas sagen?«, fragte er.
    Am anderen Ende der Leitung herrschte Stille. Offenbar sparte sich Ortiz sein Anliegen für eine günstigere Situation auf.
    »Sollte sich irgendwas ergeben, erreichst du mich ab elfbei meiner Schwester«, sagte Diaz. »Ansonsten sehen wir uns in alter Frische am Montag wieder.«
    Er beendete das Gespräch, ging ins Schlafzimmer und zog einen Baumwollpyjama gegen die winterliche Kälte an. Die nächsten drei Stunden lag er wach in der Dunkelheit, während ihm die Ereignisse der letzten beiden Tage wie in einer Endlosschleife durch den Kopf gingen. Besonders zwei Bilder tauchten immer wieder vor seinem geistigen Auge auf. Das eine zeigte Fran Kovacs’ hassverzerrtes Gesicht, während sie Gregorowitschs Gemälde mit dem Farbspachtel zerstörte. Auf dem zweiten lag sie teilnahmslos halbnackt neben ihrem Swimmingpool.
    Wenigstens ist es nicht mehr das tote Mädchen, das mich nicht zur Ruhe kommen lässt , dachte er.
    Es war fast schon Mittag, als er erwachte, einen fauligen Geschmack wie von Brackwasser im Mund. Er spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht, zog sich hastig an und verließ eilig das Apartment. Seine Schwester Olivia würde böse werden, wenn er zu spät zum Mittagessen erschien. Sie war die Göttin der Pünktlichkeit.
    Elisa, mit zehn Jahren die älteste Tochter, öffnete ihm die Tür. Sie quietschte vor Vergnügen, als er sie packte, in die Höhe hob und mit ihr den Flur entlangrannte. Olivia, die am Herd stand, sah lächelnd zu ihnen auf.
    Diaz setzte Elisa ab und umarmte seine Schwester. Sie sah wie das exakte Abbild der Fotografie ihrer Mutter auf seinem Schreibtisch aus, wenn auch etwas ernster. Ihr schwarzes Haar war in der Mitte geteilt und straff im Nacken zusammengebunden. Ihre milchschokoladenbraunen Augen schauten misstrauisch in die Welt.
    »Du bist tatsächlich pünktlich«, sagte sie.
    Diaz verzog das Gesicht. »Ich hatte gerade einen Termin bei den anonymen Prostataerkrankten.«
    »Wahrscheinlich hast du einfach nur Glück gehabt.«
    Auf der hinteren Herdflamme köchelte etwas in einem großen Eisentopf vor sich hin, aus dem nach Knoblauch, Kreuzkümmel und Tomaten duftender Dampf emporstieg. Diaz hob den Deckel an und schnupperte.
    »Maximino wird jeden Augenblick wieder da sein«, sagte Olivia. »Er ist mit Bianca in den Park gegangen.«
    Olivias Ehemann Maximino war Versicherungsregulierer. Diaz war sich ziemlich sicher, dass sein Schwager die Hand aufhielt, jedenfalls verfügte er immer über beachtliche Mengen an Bargeld. Aber wer würde sich angesichts all der Auswanderer mit ihren überdimensionalen SUVs, die ständig zu schnell fuhren, nicht in Versuchung führen lassen? Diaz sah lieber nicht genauer hin. Maximino war den beiden Mädchen ein guter Vater, und Olivia schien rundum zufrieden zu sein.
    »Coke oder Fanta?«, fragte sie.
    »Mehr hast du nicht anzubieten?«
    »Du weißt, dass ich keinen Alkohol im Haus habe. Das verleitet nur zum Trinken.«
    Was bedeutete, dass Maximino irgendwo anders hingehen musste, wenn er etwas trinken wollte. Diaz fand, dass Olivia mit ihrer rigiden Haltung gegenüber Alkohol ein großes Risiko einging. In San Miguels zahlreichen Bars und cantinas gab es haufenweise Frauen, die bereit waren, Männern für eine gewisse Summe einzeln oder in Gruppen Gesellschaft zu leisten.
    Bevor er irgendetwas erwidern konnte, kehrten Maximino und Bianca zurück. Während des Essens, bei dem er kaum sprach, begnügte er sich mit einer Fanta.
    Später gingen er und Maximino nach draußen, um zu rauchen. Olivia erlaubte nicht, dass im Haus geraucht wurde. Sie hatten sich nur wenig zu erzählen. Anschließend las Diaz Bianca eine Geschichte vor. Elisa tat so, als wäre sie bereits zu alt dafür, hörte ihm aber von der anderen Seite des

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