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Die Tote von Schoenbrunn

Die Tote von Schoenbrunn

Titel: Die Tote von Schoenbrunn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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für einen entschied. Während sich beide Herren etwa fünf Minuten lang einspielten, tranken die beiden Zeugen hastig Champagner. Gustav rührte sein Glas nicht an, der Erzherzog leerte seines in einem Zug und sagte: „Fangen wir endlich an.“
    Er ist tatsächlich nervös, dachte Gustav.
    Der Marqueur bereitete die Anfangsaufstellung vor. Das Los entschied gegen Gustav.
    Grinsend machte Karl Konstantin den ersten Stoß. Sein Spielball berührte zunächst den roten und dann den gelben Ball. Jetzt erst registrierte Gustav, dass der Erzherzog Linkshänder war.
    „Ein Punkt“, verkündete der Marqueur, bevor er ihn notierte.
    Karl Konstantin erzielte noch weitere acht Punkte, bevor er schließlich die rote Kugel verfehlte. Mit einem leisen Fluch auf den Lippen machte er ein paar Schritte zurück und überließ Gustav den Spieltisch.
    Wenn Gustav aufgeregt war, so merkte man es ihm zumindest nicht an. Er legte sein Zigarillo in den Aschenbecher, bearbeitete die Spitze seines Queues mit Kreide und ging es sehr gemächlich an. Es gelang ihm nicht nur, beide Bälle zu karambolieren, sondern er brachte sie zudem in eine ideale Position im linken vorderen Drittel des Tisches. Das war Gustavs Lieblingsposition. Er erzielte Punkt um Punkt. Es schien, als könne er die Bälle endlos hin und her spielen. Als er sich einem Punktestand von fünfzig näherte, rief Karl Konstantin aus: „Das ist doch kein Spiel! Sie sind ein Feigling, Herr von Karoly.“
    Der Marqueur wagte es nicht, den Erzherzog zu ermahnen. Klausi setzte zum Protest an, doch Gustav brachte ihn mit einem Wink zum Schweigen und holte weitere zehn Punkte in Serie, indem er einfach damit fortfuhr, immer die gleiche Kombination einmal von unten und einmal von oben zu spielen.
    Der Erzherzog belauerte ihn, versuchte ihn mit seinen Blicken zu fixieren. Gustav ignorierte seinen Gegner, dennoch verlor er für ein paar Sekunden die Konzentration.
    „78 zu 58“, verkündete der Marqueur den Punkte­stand. „Zweite Aufnahme für Eure Kaiserliche Hoheit.“
    Betont langsam beugte sich der Erzherzog über den Tisch, richtete sich noch einmal auf, griff nach einem Taschentuch und schnäuzte sich lautstark.
    „Kreide her“, fauchte er den Marqueur an.
    Gustav warf Klausi einen belustigten Blick zu. Mit diesen Spielchen bringt er sich nur selbst aus der Ruhe, dachte er. Als der Erzherzog endlich bereit war, karambolierte er aber recht souverän, erzielte zwölf Punkte in Serie, bevor ihn das Glück und die Konzentration wieder verließen.
    „90 zu 58. Zweite Aufnahme Herr von Karoly“, sagte der Marqueur.
    Gustav schnitt seinen Spielball unten rechts an und versetzte ihm damit einen Rechtsdrall. Er berührte den roten Ball, raste aber dann knapp an dem weißen vorbei und touchierte die kurze Bande.
    „Karambol ist eben ein Präzisionssport, Herr von …“, spöttelte der Erzherzog. Doch das letzte Wort blieb ihm in der Kehle stecken, den Gustavs Ball hatte inzwischen die linke lange Bande touchiert und dann die weiße Kugel karamboliert.
    Auf der Stirn des Erzherzogs erschienen Schweißperlen. Bei den nächsten Stößen spielte Gustav fast nur mehr über die Banden. Der Erzherzog schlich um den Tisch wie ein hungriger Panther. Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete er jede Bewegung seines Gegners. Gustav spielte wie in Trance. In rapidem Tempo holte er Punkt für Punkt auf. Der Marqueur kam mit dem Zählen kaum mehr nach und aus dem Staunen nicht mehr heraus.
    Klausi applaudierte schließlich, wurde aber sogleich vom Erzherzog ermahnt, dies gefälligst zu unterlassen. Das Ende der Partie schien greifbar nahe, als Gustav beim Stand von 90 zu 88 den Fehler machte, Karl Konstantin anzublicken, der mit hochrotem Gesicht auf der anderen Seite des Tisches stand und vor Wut zu platzen drohte. Gustav musste unwillkürlich grinsen.
    Er verfehlte knapp den weißen Ball, ging zu Klausi und klopfte ihm auf die Schulter.
    „Schön langsam komm ich wieder rein“, sagte er, so als ob es bei dieser Partie um nichts ginge.
    Karl Konstantin, der seine Worte gehört hatte, hielt sich nun bei keinen Mätzchen auf, sondern machte ein paar astreine Stöße.
    Klausi, der mitgezählt hatte, flüsterte Gustav ins Ohr: „97 zu 88 für ihn. Wenn nicht bald etwas passiert, hast du verloren.“
    „Ruhe!“, schrie der Erzherzog.
    Im Billardzimmer herrschte ohnehin Totenstille, aber vom Tanzsaal drangen Musik und fröhliche Stimmen herüber.
    Den nächsten Stoß hätte der Erzherzog

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